Das ENSO-Phänomen

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ENSO-Lexikon

Humboldtstrom

Auch Perustrom genannte, kalte Meeresströmung an der Westküste Südamerikas als Teil des im Gegenuhrzeigersinn verlaufenden subtropischen Strömungskreises im Südpazifik (South Pacific Gyre). Er teilt sich bei ca. 40° S gleichsam unter der Hobelwirkung Feuerlands als nordwärts gerichteter Span aus der von der Westwinddrift angetriebenen zirkumpolaren Westströmung ab. In Höhe der Galápagos-Inseln schwenkt der Humboldtstrom unter Erwärmung nach W ab und geht in den Südäquatorialstrom über. Als Strömung gilt der Humboldtstrom heute als Erkenntnis von Satellitenbeobachtung eher als Mythos. Ebenso wenig wie andere Strömungen an den Westseiten der Kontinente (Eastern boundary current) besitzt er die Qualitäten der starken und auf wenige Kilometer Breite begrenzten Strömungen auf den Ostseiten (Golfstrom, Kuro Shio). Zwar verlangt die Kontinuität nach einem äquatorwärtigen Ausgleich für den polwärtigen Wassertransport, aber die Ausgleichsströmung des Humboldtstroms vollzieht sich mit großer Langsamkeit und verteilt über eine Breite von Tausenden von Kilometern vor der Küste (pers. Mitteilung David B. Enfield, NOAA/AOML/PHOD, Miami).

A. v. Humboldts mehrjährige Forschungsreisen führten ihn nach Lateinamerika, in die USA sowie nach Zentralasien. Wissenschaftliche Feldstudien betrieb er unter anderem in den Bereichen Physik, Chemie, Geologie, Mineralogie, Vulkanologie, Botanik, Vegetationsgeographie, Zoologie, Klimatologie, Ozeanographie und Astronomie, aber auch zu Fragen der Wirtschaftsgeographie, der Ethnologie und der Demographie. Zudem korrespondierte er bei der Erstellung seines publizistischen Werkes mit zahlreichen international bedeutenden Spezialisten der verschiedenen Fachrichtungen und schuf so ein wissenschaftliches Netzwerk eigener Prägung.
In Deutschland erlangte er vor allem mit den Ansichten der Natur und dem Kosmos außerordentliche Popularität. Sein bereits bei Lebzeiten hohes Ansehen spiegelt sich in Bezeichnungen wie „der zweite Kolumbus“, „wissenschaftlicher Wiederentdecker Amerikas“, „Wissenschaftsfürst“ und „der neue Aristoteles“.

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Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt (1769 - 1859),
der Namenspatron der Meeresströmung

Alexander von Humboldt und der französische Botaniker Aimé Bonpland in der Urwaldhütte,
gemalt von Eduard Ender um 1850

A. v. Humboldt war ein deutscher Naturforscher mit weit über Europa hinausreichendem Wirkungsfeld. In seinem über einen Zeitraum von mehr als sieben Jahrzehnten sich entfaltenden Gesamtwerk schuf er „einen neuen Wissens- und Reflexionsstand des Wissens von der Welt“ und wurde zum Mitbegründer der Geographie als empirischer Wissenschaft. Er nahm die Welt nicht aus der Sicht einzelner Wissenschaften, sondern vernetzt und ganzheitlich wahr.

1799 brach der 29jährige A. v. Humboldt zu einer fünfjährigen Forschungsexpedition auf in das damalige südamerikanische Kolonialreich Spaniens, die heutigen Staaten Venezuela, Kuba, Kolumbien, Ecuador, Peru und Mexiko. Nie zuvor war ein Forschungsreisender auf eigene Rechnung und ohne politischen Auftrag so lange unterwegs gewesen. In malariaverseuchten Regenwäldern und beim Besteigen aktiver Vulkane hatte er sich in lebensgefährliche Situationen begeben, um zu neuen wissenschaftlichen Ergebnissen zu gelangen. Quelle: Bundeskunsthalle

Seine herkunftsbedingt (antarktische Gewässer) kalten Temperaturen werden wegen der geringen Geschwindigkeit bis zum Erreichen der nordchilenischen und peruanischen Küstenregionen schon deutlich erwärmt. Die dort aber tatsächlich anzutreffende Abkühlung geschieht durch kalte Auftriebswässer, meist aus Tiefen von 75 - 100 m. So liegt die durchschnittliche Wassertemperatur an der Westküste Südamerikas 7 - 8 °C niedriger als die Temperatur im freien Ozean auf gleicher Breite. Sein Sauerstoffreichtum geht ebenfalls auf seine Herkunft aus der stürmischen, das Meer aufwühlenden Westwinddrift zurück.

Teile der oberflächennahen Meeresströmungen

Teile der oberflächennahen Meeresströmungen

im Pazifik

mit dem Humboldtstrom vor Südamerika

 

 

Quelle: Wikimedia

Die durch Passat und Ekmantransport bewirkten Auftriebswässer liefern Nährstoffe in die euphotische Zone und ermöglichen dort eine umfangreiche Primärproduktion an Plankton. Das Plankton ist jedoch nicht gleichmäßig im Humboldtstrom verteilt, sondern in Ballungswolken verschiedener Größe, von einigen Metern bis zu einigen Kilometern Durchmesser. Entsprechend variiert die Verteilung der Fischschwärme der Anchovis.

Im Humboldtstrom sind über 225 Fischarten beschrieben, von denen 74 befischt werden. Nur zehn Arten sind wirtschaftlich wichtig, dazu gehören Anchovis, Bonito und Makrele, ferner Wale, Haie, Thunfische, Aale, Flundern, Oktopus und Krabben. Die Anchovis, die schon dem vorkolumbianischen Landbau als Düngemittel dienten, werden zum größten Teil zu Fischmehl verarbeitet.

Auch für die benachbarten Landökosysteme sind die Qualitäten des Humboldtstromes bedeutsam. Durch das kalte Meerwasser kühlt sich die Luft ab. Ein Aufsteigen und Kondensieren wird dadurch verhindert. Im Zusammenwirken mit den absinkenden Luftmassen des SO-Passats wird die Verdunstungskraft erhöht, Wolken lösen sich auf und Niederschläge bleiben aus. So zählt der Küstenbereich des Humboldtstroms zu den niederschlagsärmsten der Erde. Dort fallen unter 100 mm Niederschlag pro Jahr (Küstenwüste).

Visuell zeigt sich der Kernbereich des Humboldtstroms im Bereich Chiles und Perus als flaschengrünes, ca. 80 - 150 sm breites Band, das sich relativ scharf von den nährstoffarmen, kobaltblauen Wassern des offenen Ozeans abhebt. Seine Strömungsgeschwindigkeit beträgt 0,4 bis 0,7 m/sec mit zunehmender Tendenz beim Übergang in den Südäquatorialstrom. Der Strom umfasst Wassermassen bis in 200 m Tiefe.

Das folgende True-Color-Bild zeigt einen Fleck hellgrünen Wassers vor der Küste von Chincha Alta, Peru, etwa 200 km südlich von Lima. Die leuchtend gelb-grüne Färbung des Wassers ist wahrscheinlich das Ergebnis biologischer Aktivität - möglicherweise eine Art von Algen. Die Szene wurde vom Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) an Bord des Aqua-Satelliten der NASA aufgenommen.

Die Gewässer entlang der Westküste Südamerikas gehören zu den biologisch produktivsten der Welt. Das liegt vor allem am Humboldtstrom - einer sehr kalten, tiefen Strömung, die von der Antarktis an der Südspitze Chiles vorbei nach Norden bis nach Peru fließt. Vor Peru dringt das eisige Wasser des Humboldtstroms nach oben und bringt einen stetigen Nachschub an Sulfaten und Phosphaten aus der Tiefe an die Oberfläche. Mit einer Fülle dieser Nährstoffe, die an die Oberfläche gebracht werden, gedeiht eine Vielzahl von winzigen Meeresorganismen und vermehrt sich in großer Zahl. Zu diesen Organismen gehören Kieselalgen, Phytoplankton und Zooplankton, die zusammen die Grundlage der marinen Nahrungskette bilden.

Die meisten dieser Organismen sind unschädlich für ihre Umgebung. Einige Arten können jedoch für unvorsichtige Organismen, die sich von ihnen ernähren, giftig sein, darunter Fische, Schalentiere und indirekt sogar Menschen. Etwa 20 Prozent des weltweiten kommerziellen Fischertrags stammen aus dem Meeresökosystem des Humboldtstroms, darunter Sardinen, Sardellen und Makrelen.

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Helle Wasserflächen vor Peru (23.2.2004)

Das True-Color-Bild zeigt einen Fleck hellen Wassers vor der Küste von Chincha Alta, Peru, etwa 200 km südlich von Lima. Die leuchtend gelb-grüne Färbung des Wassers ist wahrscheinlich das Ergebnis biologischer Aktivität - möglicherweise eine Art von Algen. Die Szene wurde vom Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) an Bord des Aqua-Satelliten der NASA aufgenommen.

Es ist schwierig, die genaue Ursache für diesen hellen Wasserfleck vor Peru nur anhand von Satellitendaten zu identifizieren. Während die Wissenschaftler ihre Algorithmen weiter verfeinern, in der Hoffnung, eines Tages in der Lage zu sein, solche Ereignisse mit Hilfe von weltraumgestützten Sensoren genau zu diagnostizieren, ist derzeit die einzige Möglichkeit für die Wissenschaftler, Gewissheit zu erlangen, die Entnahme von Wasserproben, während das Ereignis andauert.

Quelle: NASA Earth Observatory

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