Das ENSO-Phänomen

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ENSO-Lexikon

Fischmehl

Das Fischmehl ist ein grobes, protein- (bis 72 %) sowie Vitamin-B12-reiches Pulver, das bei der Verarbeitung (Zerkleinern, Kochen, Pressen, Trocknen und Mahlen) von ganzen Fischen oder Fischrückständen entsteht, wobei als Begleitprodukt Fischöl abfällt. Die genaue Zusammensetzung von Fischmehl hängt vom Ausgangsmaterial ab.

fischmehl-bestandteile

Durchschnittliche Zusammensetzung von Fischmehl in %

Quelle: Eigene Grafik. Quelle der Daten: Bimbo, A. P. (1990):
Fish Meal and Oil.
In: Martin, R. E. and Flick, G. J. (Hrsg.):
The Seafood Industry. New York

Diese „Fischreduktion“ liefert einen Gewichtsertrag von ca. 20 % für das Fischmehl und 4 % für das Öl. Der Rest ist Wasserdampf oder geht als eiweißreiches Abwasser ins Meer. Hauptverwendungszweck des Fischmehls – und zum Teil auch des Fischöls – ist die Tierernährung (Geflügel, Schweine, Haustiere, Fische, Garnelen). In den letzten Jahrzehnten hat sein Einsatz in der Aquakultur sprunghaft zugenommen (auf 35 % Gesamtanteil im Jahr 2000). Prognosen gehen davon aus, dass der schnell wachsende Aquakultursektor seinen Bedarf an Fischmehl noch beträchtlich steigern wird, was den Weltmarktpreis und den Druck auf die Bestände der pelagischen Schwarmfische weiter erhöhen wird. Der die Weltfischerei entlastende Aquakultursektor setzt also besonders die Fischbestände der Auftriebsregionen unter erheblichen zusätzlichen Druck. Aus Sicht eines armen Landes wie Peru ist es allerdings bei dem derzeit hohen (und vermutlich noch zunehmenden) Marktwert des Fischmehls schwierig, sich von dieser „Fischreduktion“ zu verabschieden. Trotzdem wird auch in Peru bereits versucht, einen Teil der Sardellenfänge als Frischfisch zu vermarkten. (Wolff 2017)

Üblicherweise besteht der Rohstoff aus kleinen pelagischen Fischarten (Sardinen und Anchovis) und Beifängen. Ferner zeichnen sich die Arten durch kurze Generationszeiten aus. Hauptsächlich werden für die Produktion von Fischmehl Bestände der Peruanischen (Engraulis ringens) sowie der Japanischen Sardelle (Engraulis japonicus), der Japanischen Makrele (Scomber japonicus) und der Chilenischen Bastardmakrele (Trachurus murphyi) genutzt.

Fischmehl - Wertschöpfungskette

Wertschöpfungskette von Fischmehl und -öl

Der Großteil des Fischmehls stammt aus der Fischerei (ca. 65 -75 %). Schätzungen zufolge wird derzeit ca. 25 - 30 % des Fischmehls aus Bei- oder Nebenprodukten gewonnen (Schlachtabfälle, Beifang etc.). Bei der Zusammensetzung gibt es jedoch regionale Unterschiede.

Das Gros (ca. 75 %) des weltweit produzierten Fischmehls wird in der Fischzucht verwendet und nur ca. 25 % für die Aufzucht anderer Nutztiere, wie Hühner und Schweine. Die mengenmäßig größten Verbraucher dieses Rohstoffs in der Aquakultur sind Garnelen, Salmoniden (vorwiegend Lachse) und marine Fischarten (z. B. Dorade und Wolfsbarsch).

Quelle: Aquakulturinfo

Früher als Düngemittel verwendet, ist heute der Hauptverwendungszweck von Fischmehl die Tierernährung, hauptsächlich bei Geflügel, Schweinen, Haustieren und in Aquakulturen (z.B. Garnelen und Lachs), alles überwiegend Massentierhaltungen.
Die für die Tierernährung eingesetzten Mengen Fisch entsprechen ca. 35 % der weltweiten Fischproduktion (aus Wildfängen und Fischzucht). Aus 3 kg Fischprotein entstehen z.B. maximal 1 kg Hühnerprotein.

Das Beiprodukt Fischöl wird u.a. zur Herstellung von Margarine, Linoleum, Lederfarbstoffen, Druckfarbe und Schmiermitteln genutzt.

Die Fischmehlproduktion ist wenig arbeitsintensiv und gleichzeitig stark umweltbelastend. Das Brauchwasser, das sowohl für den Rohrtransport des Fisches von den Kuttern in die Fabriken benötigt wird, wie auch für die eigentliche Produktion, wird in die Buchten abgelassen. Das Pumpenwasser enthält große Mengen von Fischresten, Öl und Blut. Diese organischen Stoffe entziehen bei ihrem Abbau dem Wasser Sauerstoff und verunreinigen die Strände. Beim Kochen des Rohstoffs werden mit dem Wasserdampf Fischmehlpartikel emittiert. Dies führt zu Geruchsbelästigungen und Atemwegs- und Hauterkrankungen, besonders bei Kindern.

Im Anhang befindet sich eine Grafik, die dieses Wirkungsgefüge illustriert.

Fischmehl - Produktionsprozess

Produktionsverfahren von Fischmehl und -öl

Fischmehl wird immer nach dem gleichen Prinzip hergestellt, ungeachtet, ob ganze Fische oder Teilstücke verwendet werden. Der gesamte Prozess verläuft in drei Schritten:

1. Thermische Behandlung

2. Verpressung oder Zentrifugation

3. Trocknung

Der getrocknete Kuchen wird anschließend zu Mehl gemahlen. Fischmehl weist eine Restfeuchte von weniger als 10 % auf.

Quelle: Aquakulturinfo

Die der südamerikanischen Fischmehlindustrie zuliefernde Industriefischerei ist verantwortlich für die starke Überfischung der Fischgründe. Das überstarke Abfischen der kleinen Fischarten, die größeren Fischen als Beutetiere dienen, vermindert auch deren Population. Dies wiederum schadet der küstennahen und arbeitsintensiven Kleinfischerei. Diese subsistent wirtschaftenden Fischer konzentrieren sich auf größere und wertvollere Fischarten. Mit viel geringeren Fangmengen können sie einen vergleichsweise hohen Verdienst erreichen.

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Säcke mit Fischmehl

Fischmehl-Fabrik

World fishmeal export and import 2007 (FAO Fishstat 2009)

Quelle: NHH

Der Zusammenbruch der Sardellenfischerei und damit der Fischmehlproduktion an der Westküste Südamerikas im Gefolge des El Niño-Ereignisses von 1972/73 hatte eine unerwartete Nebenwirkung für die globale Landwirtschaft. Es musste Ersatz für das eiweißhaltige und relativ billige Viehfutter gefunden werden. Man fand ihn in der Sojabohne, deren Anbau rapide ausgeweitet wurde. Auch nach der Erholung der Fischereiindustrie im westlichen Südamerika ist die Sojabohne zunehmend gefragt, auch als Ersatz für tierisches Eiweiß in der menschlichen Ernährung.

Peru ist der größte Fischmehlproduzent der Welt und trägt mit rund 18 Prozent zur Weltproduktion bei. In 24 peruanischen Küstenstädten wird Fischmehl produziert. Es ist Perus wertmäßig viertgrößter Exportartikel nach Gold-, Kupfer- und Erdölexporten. Die Gesamtexporte erreichten 2018 1,5 Milliarden Dollar. China wird auf absehbare Zeit Perus führender Exportmarkt für Fischmehl bleiben. Allein China nahm 80 Prozent der peruanischen Fischmehlexporte des MY 2018/2019 auf und konnte damit den Marktanteil gegenüber dem Vorjahr halten. Weitere wichtige Exportmärkte sind Japan (4,8 Prozent), Vietnam (4 Prozent) und Taiwan (2,9 Prozent). (USDA)

Preise von Fischmehl und Sojamehl in Deutschland und den Niederlanden

Preise von Fischmehl und Sojamehl in Deutschland und den Niederlanden (Jan. 83 - Jan. 2020)

Obwohl die Preise für Fischmehl seit Mitte 2018 allgemein gesunken sind, deuten die frühe Schließung der zweiten peruanischen Sardellenfangsaison Ende 2019 und ein Rückgang des Rohstoffangebots auf eine wahrscheinliche Umkehrung dieses Trends hin.

Quelle: FAO 2020

Die Produktion von Fischmehl und Fischöl schwankt entsprechend den Veränderungen bei den Fängen dieser Arten, insbesondere der Sardellen, die von der El Niño-Südlichen Oszillation beherrscht werden, die sich auf die Bestandsgröße auswirkt. Im Laufe der Zeit hat die Einführung von guten Bewirtschaftungspraktiken und Zertifizierungssystemen zu einem Rückgang der nicht nachhaltigen Fänge von Arten geführt, die zu Fischmehl verarbeitet werden sollen. Die Menge, die für die Verarbeitung zu Fischmehl und Fischöl verwendet wurde, erreichte 1994 mit über 30 Millionen Tonnen ihren Höhepunkt und ging dann auf weniger als 14 Millionen Tonnen im Jahr 2014 zurück. Im Jahr 2018 stieg sie auf etwa 18 Millionen Tonnen an, was auf erhöhte Fänge von peruanischer Sardelle zurückzuführen ist.

Dieser allmähliche Rückgang des Angebots ging mit einer steigenden Nachfrage einher, die durch eine schnell wachsende Aquakulturindustrie ausgelöst wurde, was die Preise für Fischmehl und Fischöl in die Höhe trieb. Infolgedessen wird ein immer größerer Anteil des Fischmehls und Fischöls aus Fischnebenerzeugnissen hergestellt. Schätzungen zufolge werden heute bis zu 25-35 % der Gesamtmenge an Fischmehl und Fischöl aus diesen Nebenprodukten hergestellt, wobei es jedoch regionale Unterschiede gibt. So wurde die Verwendung von Nebenprodukten in Europa auf einen vergleichsweise hohen Anteil von 54 % an der Gesamtproduktion geschätzt (Jackson und Newton, 2016). Da kein größerer Anstieg des Rohmaterials aus ganzen Wildfischen (insbesondere kleinen pelagischen Fischen) zu erwarten ist, muss jeder Anstieg der Fischmehlproduktion aus Nebenprodukten stammen Nebenprodukten mit unterschiedlichem Nährwert stammen, mit einem geringeren Proteingehalt, aber einem höheren Gehalt an Mineralien und Aminosäuren im Vergleich zu Fischmehl aus ganzen Fischen gewonnen wird.

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