Das ENSO-Phänomen

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ENSO-Lexikon

La Niña

Spanisch für "Das kleine Mädchen", vereinfacht ausgedrückt das Gegenstück von El Niño. La Niña tritt gewöhnlich zwischen den einzelnen El Niño-Ereignissen auf. Dabei sind die Oberflächentemperaturen des Wassers vor Peru und im äquatorialen Zentralpazifik unter dem langjährigen Mittel. Allerdings hat La Niña auch die Tendenz, in aufeinanderfolgenden Wintern aufzutreten (Nat Johnson 2021). Auf El Niño trifft dies im Übrigen nicht zu.

Während La Niña ist die Walker-Zirkulation stärker ausgeprägt, und hochreichende Konvektion wird über dem äquatorialen Zentralpazifik unterdrückt.

Der Name wurde erst 1985 von dem südafrikanischen Klimatologen George Philander (Princeton University) geprägt. Um diese Zeit erkannte die Wissenschaft, dass ENSO möglicherweise ein Zyklus ist, der gegenüber El Niño auch eine gegenteilige Phase haben könnte. Bis dahin hatte man El Niño für eine isolierte episodische Störung der normalen Verhältnisse angesehen. Das Aufkommen von gekoppelten Ozean-Atmosphäre-Modellen des Klimasystems und ihre Anwendung auf den tropischen Pazifik legte die Annahme einer echten Oszillation nahe.

Neben dem Ausdruck "La Niña" bestehen noch andere Bezeichnungen, wie z.B. "El Viejo" (der Alte), eingeführt von James O'Brien (Florida State University), ferner "anti-El Niño" oder einfach "Kalt-Ereignis" bzw. "Kalt-Episode". Der Ausdruck "anti-El Niño" sollte vermieden werden, da er übersetzt eigentlich "Antichrist" bedeutet. Der Begriff "El Viejo" wurde angeblich vorgeschlagen, um sexistische Terminologie zu vermeiden, möglicherweise aber auch aus dem Gefühl persönlicher Abneigung gegenüber Philander heraus.

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Starke La Niña im Dezember 2010

Einigen Messungen zufolge war das Ende 2010 ausgebildete La Niña Ereignis das stärkste seit mindestens Mitte der 1970er Jahre und eines der fünf stärksten seit dem letzten Jahrhundert. Die atmosphärische Reaktion darauf war besonders stark mit einem Southern Oscillation Index, der seine höchsten Monatswerte seit 1973 im September und Dezember und sein höchstes Halbjahresmittel seit 1917 erreichte.

Das Kaltwassersignal von La Niña ist in den beiden Bildern stark ausgeprägt. Das linke Bild zeigt die Meeresoberflächentemperaturen am 15. Dezember 2010, wie sie vom Advanced Microwave Scanning Radiometer for EOS (AMSR-E) auf dem Aqua-Satelliten der NASA gemessen wurden. Im Dezember 2010 waren die Meeresoberflächentemperaturen im äquatorialen Pazifik kälter als im Durchschnitt.

Das rechte Bild zeigt den Wärmeinhalt der Meeresoberfläche zwischen dem 14. und 16. Dezember 2010, wie er vom US-amerikanisch-französischen Satelliten OSTM/Jason-2 beobachtet wurde. Wasser dehnt sich aus, wenn es sich erwärmt, daher hat wärmeres Wasser eine höhere Wasseroberfläche als kälteres Wasser. Das blaue "Tal", das sich durch die Mitte des Bildes der Meeresoberflächenhöhe zieht, ist die Signatur von La Niña. Die Intensität des kalten Wassers sowie die Tiefe und Ausdehnung des Tals deuten auf ein intensives Ereignis hin.

Das untere Bild zeigt einen Teil des ungewöhnlichen Wetters, das La Niña im Dezember 2010 verursachte, wie es von der Tropical Rainfall Measuring Mission (TRMM) zwischen dem 23. November und 23. Dezember 2010 beobachtet wurde. Das Bild zeigt die Niederschlagssummen im Vergleich zum durchschnittlichen Niederschlag für diesen Zeitraum, wobei überdurchschnittliche Regenmengen in blau und unterdurchschnittliche Regenmengen in braun dargestellt sind.

Quelle: WMO / NASA Earth Observatory

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Um die Geschehnisse während eines La Niña-Ereignisses und der anderen beiden Phasen des ENSO-Zyklus zu verstehen, muss man sich bewusst machen, dass der äquatoriale Pazifik als gekoppeltes System agiert, da der Zustand des Ozeans und der Atmosphäre voneinander abhängen. Wenn die Bedingungen des Ozeans sich ändern, reagiert die Atmosphäre und umgekehrt. Die Hauptindikatoren dieser Änderungen sind der Luftdruck und die Meerestemperaturen. Störungen im Ozean, die Veränderungen der wesentlichen Temperaturmuster verursachen, beeinflussen die Winde in diesem gekoppelten System, was zu einer positiven Rückkopplungsschleife führen kann.

Über die Ursachen von La Niña bestehen aber noch größere Unsicherheiten als über jene ihres Gegenstücks El Niño, ebenso über ihre Telekonnektionen. Während einem La Niña-Ereignis tendieren der australische wie auch der asiatische Monsun zu einer stärkeren Ausprägung, und über Nordamerika ist der winterliche Jetstream eher zonal ausgerichtet. Als Folge wird der pazifische Nordwesten feuchter und der Südosten der USA trockener und wärmer.
Die meisten von La Niña bedingten Anomalien sind denen von El Niño-Ereignissen gegenläufig.

Gelegentlich wird die begriffliche Existenz von La Niña als eigenständiges Zykluselement gänzlich in Frage gestellt, oder es wird auch nur von den zwei Ausprägungen El Niño und La Niña gesprochen und die Neutralphase nicht zusätzlich unterschieden.

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La Niña im System Ozean - Atmosphäre des tropischen Pazifik

Während eines La Niña-Ereignisses verstärken sich die Walker-Zirkulation und die Passatwinde. Dies führt zu intensiverer Konvektion und Niederschlag-bringender Bewölkung über dem tropischen Westpazifik.

Wenn die Passate an Stärke gewinnen wird der Warmwasserkörper des tropischen Pazifik auf dessen westlichsten Teil beschränkt. Dies führt zu anomal warmen Meeresoberflächentemperaturen nördlich von Australien. Die Meeresoberflächentemperaturen im zentralen und östlichen Teil des tropischen Pazifiks werden kühler als üblich und die Thermokline befindet sich näher an der Oberfläche. Kühleres Wasser gelangt durch das gleichzeitig verstärkte Upwelling an die Oberfläche.

Die beschriebenen Rahmenbedingungen über der südostasiatischen Inselwelt verstärken den australischen Monsun und können zu höherer Feuchtigkeit und Niederschlag über Australien führen. Dies trifft vor allem für dessen nördlichen und östlichen Teil zu.

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Zum Vergleich: der tropische Pazifik während der Neutralphase

In der Neutralphase wehen die Passatwinde von O nach W über den tropischen Pazifik und bringen warme und feuchte Luft sowie wärmeres Oberflächenwasser in den Westpazifik und belassen den zentralen und östlichen Pazifik relativ kühl. Die Thermokline ist im W tiefer als im O.

Warme SST im Westpazifik bewirken eine kräftige Konvektion warmer und feuchter Luft mit folgender Cumulusbildung und Gewittern.

Diese nunmehr trockenere Luft strömt in der Höhe nach O, wo sie über dem kühleren Pazifik wieder absteigt. Das Muster von aufsteigender Luft im W, Ostwärtswanderung, Abstieg und westwärtiger Strömung in unteren Schichten wird als Walker-Zirkulation bezeichnet.

Quelle: BOM

Eine operationelle Definition von La Niña liefert der Oceanic Niño Index (ONI), wonach ein La Niña-Ereignis dann gegeben ist, wenn die Meeresoberflächen-Temperatur in der Niño 3.4 Region des Pazifiks über mindestens fünf Monate hinweg mehr als 0,5 °C niedriger als der Durchschnitt ist. Dieser niedrige Temperaturwert unterstreicht die überrraschende Tatsache, dass nur geringe Änderungen der Meeresoberflächentemperatur bei einem Kaltereignis auftreten.

La Niña und El Niño sind typischerweise am stärksten während der Zeit von Dezember bis April, da zu dieser Zeit die Meeresoberflächentemperaturen im äquatorialen Pazifik gewöhnlich am höchsten sind. Folglich kann eine El Niño-bedingte leichte Erwärmung des Wassers zu einer bedeutsamen Umverteilung der tropischen Konvektionsniederschläge führen, wohingegen eine leichte, La Niña-bedingte Abkühlung die tropische Konvektion auf Indonesien beschränken kann.
Die auf El Niño und La Niña zurückzuführenden Meeresoberflächentemperaturen und die Anomalien der tropischen Niederschläge wirken sich auch auf die Windmuster aus, die ihrerseits die Anomalien der Meeresoberflächentemperaturen weiter verstärken. Die Kopplung zwischen Ozean und Atmosphäre ist ein entscheidender Aspekt des ENSO-Phänomens.

In einem normalen und typischen von Dezember bis April reichenden Zeitabschnitt erreicht der pazifische Warmwasserkörper (Pacific Warm Pool) seine größte Ausdehnung, die Wassertemperaturen im zentralen und im zentral-östlichen Bereich des äquatorialen Pazifiks erreichen ihre höchsten Werte und die tropische Konvektion erstreckt sich von Indonesien bis zur Datumsgrenze.

Während eines El Niño-Ereignisses dehnt sich während Monate Dezember bis April der pazifische Warmwasserkörper und das damit verbundene Gebiet mit hochreichender tropischer Konvektion deutlich über die Datumsgrenze nach Osten aus, und die tropischen Passate aus dem Osten sind dann am schwächsten.

Während eines La Niña-Ereignisses sind der pazifische Warmwasserkörper und die hochreichende tropische Konvektion in den gleichen Monaten auf ein Gebiet beschränkt, das deutlich westlich der Datumsgrenze lieg, und die tropischen Passate aus dem Osten sind dann am stärksten.

Im Zusammenhang mit der Ozeanversauerung ist festzuhalten, dass das Eindringen von anthropogenem CO2 in den Oberflächenozean dort zu einer Erniedrigung des pH-Wertes führt. Durch Auftriebsphänomene kommt generell O2-verarmtes und somit CO2-angereichertes Wasser mit niedrigem pH an die Oberfläche. Da es sich hierbei in der Regel um Wasser aus den oberen Hunderten von Metern des Ozeans stammt, welche unweigerlich bereits mit anthropogenem CO2 "kontaminiert" sind, überlagern sich hier somit die versauernden Effekte des natürlichen, bei La Niña-Episoden besonders intensiven Auftriebs und des anthropogenen CO2-Eintrags. Inwieweit dieser Effekt eine Auswirkung auf das biologische System im Oberflächenozean hat, ist gegenwärtig noch schwer zu beurteilen.

Flowchart showing decision process for determining La Niña conditions

Flussdiagramm mit dem Entscheidungsprozess zur Bestimmung der La Niña-Bedingungen

Wie bei El Niño muss eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein, bevor man das Einsetzen von La Niña verkünden kann. Zuerst muss der monatliche Niño3.4-Index auf oder unter -0,5°C fallen. Das ist schon nahe dran, aber noch nicht da. Danach muss prognostiziert werden, dass sie für fünf sich überschneidende dreimonatige Zeitabschnitte ("Seasons") unter diesem Schwellenwert bleiben wird. Schließlich müssen wir die richtige Reaktion der Atmosphäre sehen: eine verstärkte Walker-Zirkulation, d.h. stärkere östliche Winde an der Oberfläche und westliche Winde in höheren Schichten über dem äquatorialen Pazifik, einen unterdurchschnittlichen Druck und mehr Niederschlag über Indonesien, weniger Niederschlag über dem zentralen Pazifik und einen überdurchschnittlichen Druck in der Nähe des östlichen Pazifiks.

Quelle: NOAA

Folgende ozeanographische und meteorologische Charakteristika sind typisch für La Niña-Episoden:

Flowchart showing decision process for determining La Niña conditions

Winter-Muster unter La Niña-Bedingungen

Durchschnittliche Lage des Jetstreams und typische Temperatur- und Niederschlagsauswirkungen während eines Winters mit La Niña über Nordamerika.

Wenn es ein ENSO-Ereignis gibt, wird in den Gesprächen über die Wintersaison unweigerlich ein Schema wie in der Grafik links gezeigt, das einen allgemeinen Eindruck von den Mustern vermittelt, die im Laufe der Saison auftreten. Dies kann den Eindruck erwecken, dass (A) jeder La-Niña-Winter so aussieht und (B) jeder Tag/Woche/Monat des Winters so aussehen wird. Beides ist falsch.

La Niña ist nicht das einzige Spiel im Klimageschehen, was bedeutet, dass jedes einzelne Ereignis singulär ist. Die Temperatur- und Niederschlagsmuster für jedes Ereignis können stark voneinander abweichen, auch wenn die "durchschnittlichen" Auswirkungen wie im Schema links aussehen.

Quelle: ENSO Blog (2022)

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