Das ENSO-Phänomen

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ENSO-Lexikon

El Niño

El Niño - Wortbedeutungen

  1. Das Christkind oder auch nur die spanische Bezeichnung für 'der Knabe'
  2. Bronzestatue des Bildhauers Ubbo Enninga an der Hafenmole von Radolfzell, Bodensee

    El Niño - Bronzestatue des Bildhauers Ubbo Enninga (1997)

    Ubbo Enninga lebt in Stuttgart. Er stellt mit seinen Werken den Menschen ins Zentrum seines Schaffens. So auch bei dem sehr bemerkenswerten Kunstwerk "El Niño". Die Statue prägt das Bild der Radolfzeller Uferpromenade seit 1997.

    Angeregt vom gleichnamigen Naturphänomen soll die Skulptur als ‚stehende Welle´ kosmische Energien bündeln und ein Bewusstsein für menschliche, lunare aber auch solare Kräfte schaffen und die mit ihnen in Beziehung stehenden Elemente und Wirkungen auf der Erde harmonisieren.

    Foto: privat

  3. Ursprünglich die Bezeichnung für die gelegentlich bis relativ regelhaft auftretende mäßige Erwärmung der normalerweise kühlen Küstengewässer vor Ecuador und Nordperu durch eine südwärtige Wasserströmung (la corriente del niño) sowie die begleitende Witterung. Es handelt sich um Warmwassermassen des äquatorialen Gegenstroms (engl. equatorial countercurrent), die im Zuge des Jahreszeitenwechsels um die Weihnachtszeit für wenige Wochen (bis etwa Februar/März) an die südamerikanische Westküste bis ca 4 °S vordringen und das kühle Oberflächenwasser verdrängen können.
    Die Sonnenstrahlen besitzen um diese Zeit einen steilen Einfallswinkel (südhemisphärischer Sommer) und damit eine starke Strahlungsintensität. Die gewisse Regelmäßigkeit der Erscheinung mit ihrer begleitenden Störung der lokalen Fisch- und Vogelpopulationen ließ die peruanischen Fischer vermutlich schon vor Jahrhunderten auf den Namen El Niño (Christkind) kommen. Sie markiert das Ende der normalen Fangsaison. Bei dieser saisonalen Erscheinung bleiben zwar einerseits die für die Fischindustrie wichtigen Anchovis aus, andererseits kommen mit dem warmen Wasser Haie, tropische Krabben, Schwert- und Thunfische als geschätzte weihnachtliche Abwechslung in die Reichweite der Fischer.
    Seehund- und Pinguin-Populationen entlang der Küste und auf den Galapagos-Inseln können dramatisch schrumpfen. Seevögel migrieren westwärts, um ihrer Anchoveta-Beute zu folgen und können gelegentlich in großen Zahlen umkommen.
    Von Caviedes (2005) befragte peruanische Historiker konnten als erste Erwähnung des Begriffs 'El Niño' in halbwegs wissenschaftlichen Arbeiten die Jahreszahlen 1891, 1892 und 1894 benennen. Es ging dabei um Berichte über die katastrophalen Auswirkungen des besonders starken El Niño-Ereignisses von 1891. Zebiak et al. (2014) vermerken, dass es den peruanischen Fischern mindestens seit dem 16. Jh. bewusst war, dass periodisch auftretende warme Wassermassen ihre Anchovis-Fänge beeinträchtigten. Etwa zur gleichen Zeit bemerkten peruanische Bauern, dass das wärmere Meerwasser gleichzeitig mit erhöhten Niederschlägen auftrat. Zur Begriffsgeschichte sind auch Auszüge aus Philanders Buch El Niño, La Niña, and the Southern Oscillation lesenswert.
  4. Austauschbar mit dem Begriff ENSO verwendete Bezeichnung, die Veränderungen der Wechselwirkungen zwischen Meer und Atmosphäre entlang des äquatorialen Pazifik in seiner ganzen Breite beschreiben.
  5. Heute korrekterweise die Bezeichnung für ein ENSO-Warmereignis, das eine - im Vergleich zu den Neutralbedingungen zwischen El Niño und La Niña - "anomale" ozeanographische Erscheinung mit wesentlichen meteorologischen Auswirkungen und Abhängigkeiten beschreibt, die in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen (etwa alle 3-8 Jahre, also quasi-periodisch) im südpazifischen Raum zwischen der Westküste Südamerikas und Indonesien bzw. Australien auftritt. El Niño ist dynamisch verknüpft mit der Southern Oscillation, einer Luftdruckschaukel über dem tropischen Pazifik.
    Zur Unterscheidung von dem seit wenigen Jahren beschriebenen und gehäuft auftretenden El Niño Modoki, wird der traditionelle (canonical) El Niño auch als Eastern Pacific (EP) El Niño bezeichnet.

Michael Glantz, Klimatologe an der University of Colorado hat in einem Konferenzbericht einige der bedeutenden El Niño-Ereignisse mit einprägsamen Bezeichnungen versehen und folgende Liste erstellt:

  • 1877-78: El Niño
  • 1891: The downwelling phenomenon was first named “El Niño” at a conference in Lima, Peru. By 1982, this event was being described as the previous ‘biggest El Niño’.
  • 1957-58: “The International Geophysical Year (IGY) El Niño” Project to investigate coastal upwelling processes off the west coast of the US and Peru.
  • 1972-73: “The El Niño of the Scientists” The collapse of Peruvian fisheries, and the identification of the ENSO teleconnections generated scientific concern.
  • 1982-83: “The El Niño of the Governments” This El Niño was labeled the “El Niño of the Century” and generated awareness of El Niño as an economic threat to many governments, funding for monitoring increased.
  • 1997-98: “The El Niño of the People” People around the globe became aware of the El Niño phenomenon.
  • 2015-16: “The El Niño of Response and Preparedness” Naming this event a “Godzilla” El Niño did a disservice to the seriousness of forecasting and raised expectations of potential impacts that fell short of reality.

Quelle: El-Nino 2015 - Conference Report

El Niño - Weitere Merkmale

Zu den weiteren Merkmalen eines El Niño gehören folgende Erscheinungen:

Die Liste spiegelt die Vielfalt der Begriffsinhalte wider, gleichzeitig wird deutlich, dass sie alle keinen quantitativen Charakter haben. Solche Abgrenzungen nach quantitativen Kriterien liegen seit einigen Jahren von verschiedenen Organisationen vor: Multivariater ENSO Index (MEI), Southern Oscillation Index (SOI), JMA-Index und Oceanic Niño Index (ONI).

Die unterschiedlichen Indizes gehen im Detail von unterschiedlichen Definitionen aus, wann konkret ein El Niño-Ereignis vorliegt. Im Herbst 2003 haben sich amerikanische Wissenschaftler und Regierungs-Experten auf den Oceanic Niño Index (ONI) als einheitlichen Messindex und operationelle Definitionsgrundlage für El Niño geeinigt. Dieser basiert auf der Meeresoberflächen-Temperatur in einem bestimmten Gebiet des Pazifiks. Ein El Niño ist dann gegeben, wenn der Index über mindestens fünf Monate eine positive Abweichung von über 0,5 °C aufweist.

Generell muss jede El Niño-Definition dynamisch gesehen werden und dem aktuellen Wissensstand angepasst sein (vgl. die jüngste Beschreibung eines El Niño Modoki).

sshanomaly

Monatliche Anomalie des Meeresspiegels (mm)

in Santa Cruz, Ecuador (blaue Linie) und
in Pohnpei, Föderierte Staaten von Mikronesien (rote Linie)

während des El Niño 1991-92

 

Quelle: University of Hawaii Sea Level Center in
"The 1997-1998 El Niño Event: A Scientific and Technical Retrospective" (WMO)

El Niño - Teilphänomen in einem gekoppelten System

Um die Geschehnisse während eines El Niño-Ereignisses und der anderen beiden Phasen des ENSO-Zyklus zu verstehen, muss man sich bewusst machen, dass der äquatoriale Pazifik als gekoppeltes System agiert, da der Zustand des Ozeans und der Atmosphäre voneinander abhängen. Wenn die Bedingungen des Ozeans sich ändern, reagiert die Atmosphäre und umgekehrt. Die Hauptindikatoren dieser Änderungen sind der Luftdruck und die Meerestemperaturen.

Störungen im Ozean, die Veränderungen der wesentlichen Temperaturmuster verursachen, beeinflussen die Winde in diesem gekoppelten System, was zu einer positiven Rückkopplungsschleife führen kann. Während eines El Niño beginnt diese Schleife oft mit abgeschwächten oder manchmal sogar mit in entgegengesetzter Richtung wehenden Passaten. Die Ursache dieser geschwächten Winde ist nicht immer offensichtlich, aber in Abhängigkeit von ihrer Stärke und Dauer können sie nach einer gängigen Hypothese Kelvin-Wellen auslösen. Diese Wellen befinden sich 100 - 200 m unter der Meeresoberfläche und sind hunderte von Kilometern breit. Auf ihrem ostwärtigen Weg durch den äquatorialen Pazifik führen sie zu einer Erwärmung des Wassers. Manchmal gelangt dieses warme Wasser an die Oberfläche und bildet dort eine Warmwasserzunge mit um 1 bis 3 °C erhöhten Temperaturen, welche sich über den äquatorialen Pazifik erstreckt. Die wärmeren Wassermassen bewirken eine Absenkung des Luftdrucks über dem zentralen und östlichen Pazifik und schwächen dadurch den Luftdruckgradienten, der normalerweise die Passate von Tahiti nach Darwin treiben würde. Die schwächeren Passate reduzieren die Menge an Oberflächenwasser, die nach Westen getrieben wird. Das Oberflächenwasser bleibt warm und betont den geschwächten Druckgradienten.

El Niño-Bedingungen im äquatorialen Pazifik

Während eines El Niño-Ereignisses schwächen sich die Passatwinde ab oder kehren sich sogar um und erlauben es dem Gebiet des anomal warmen Wassers sich in den zentralen und östlichen Teil des tropischen Pazifiks zu verlagern.

Diese wärmeren als üblichen Ozeantemperaturen sind verbunden mit einer Absenkung der Thermokline vom zentralen bis zum östlichen Pazifik. Auch trägt ein schwächeres Upwelling von kühlerem Wasser aus der Tiefe zu höheren Meeresoberflächentemperaturen bei.

Zum Vergleich der Pazifik während der Neutralphase

Zum Vergleich der Pazifik während der Neutralphase

Im neutralen Zustand (weder El Niño noch La Niña) wehen die Passatwinde von Ost nach West über die Oberfläche des tropischen Pazifiks, bringen warme, feuchte Luft und wärmeres Oberflächenwasser in Richtung des westlichen Pazifiks und halten den zentralen Pazifik relativ kühl. Die Thermokline ist im Westen tiefer als im Osten.

Warme Meeresoberflächentemperaturen im westlichen Pazifik pumpen Wärme und Feuchtigkeit in die darüber liegende Atmosphäre. In einem Prozess, der als atmosphärische Konvektion bekannt ist, steigt diese warme Luft hoch in die Atmosphäre auf und verursacht, wenn die Luft feucht genug ist, aufsteigende Cumulonimbuswolken und Regen. Diese nun trockenere Luft reist dann nach Osten, bevor sie über den kühleren östlichen tropischen Pazifik absteigt. Das Muster der Luft, die im Westen aufsteigt und im Osten fällt, wobei sich die Luft an der Oberfläche westwärts bewegt, wird als Walker-Zirkulation bezeichnet.

Quelle: BOM

Dauer und Häufigkeit

Ein El Niño-Ereignis dauert etwa zwölf bis achtzehn Monate und hat seinen Höhepunkt etwa zwischen Dezember und Juni, nach anderen Angaben bis April. Allerdings gab es - definitionsabhängig - vor einigen Jahren eine Ausnahme: Ein Ereignis dauerte von Mitte 1990 bis Mitte 1995. Der Niño von 1997/98 war von deutlich kürzerer Dauer, wird aber von Experten der NOAA wegen seiner hohen Energieumsätze, seines frühen Beginns und seines schnellen Auf- und Abbaus als das Wetterereignis des Jahrhunderts bezeichnet.

Der Grund für die typischerweise besondere Ausprägung sowohl von El Niño wie auch von seinem Gegenpart La Niña während der Zeit von Dezember bis April liegt darin, dass zu dieser Zeit die Meeresoberflächentemperaturen im äquatorialen Pazifik gewöhnlich am höchsten sind. Folglich kann eine El Niño-bedingte leichte Erwärmung des Wassers zu einer bedeutsamen Umverteilung der tropischen Konvektionsniederschläge führen, wohingegen eine leichte, La Niña-bedingte Abkühlung die tropische Konvektion auf Indonesien beschränken kann.

Die auf El Niño und La Niña zurückzuführenden Meeresoberflächentemperaturen und die Anomalien der tropischen Niederschläge wirken sich auch auf die Windmuster aus, die ihrerseits die Anomalien der Meeresoberflächentemperaturen weiter verstärken. Die Kopplung zwischen Ozean und Atmosphäre ist - es sei wiederholt - ein entscheidender Aspekt des ENSO-Phänomens.

In einem normalen und typischen von Dezember bis April reichenden Zeitabschnitt erreicht der pazifische Warmwasserkörper (Pacific Warm Pool) seine größte Ausdehnung, die Wassertemperaturen im zentralen und im zentral-östlichen Bereich des äquatorialen Pazifiks erreichen ihre höchsten Werte und die tropische Konvektion erstreckt sich von Indonesien bis zur Datumsgrenze.

Während eines El Niño-Ereignisses dehnt sich während Monate Dezember bis April der pazifische Warmwasserkörper und das damit verbundene Gebiet mit hochreichender tropischer Konvektion deutlich über die Datumsgrenze nach Osten aus, und die tropischen Passate aus dem Osten sind dann am schwächsten.

Während eines La Niña-Ereignisses sind der pazifische Warmwasserkörper und die hochreichende tropische Konvektion in den gleichen Monaten auf ein Gebiet beschränkt, das deutlich westlich der Datumsgrenze lieg, und die tropischen Passate aus dem Osten sind dann am stärksten.

Verläufe von extremen und mittelstarken El Niños im jeweiligen Vergleich

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Sehr starke (links) und mittlere El Niño-Ereignisse (rechts) im Vergleich zur aktuellen Entwicklung (rote Linie).

Der MEI-Index (Multivariater El Niño Index) berechnet sich aus dem Bodendruck, den ost-west- und nord-süd-Komponenten des Bodenwindes, der Meeresoberflächentemperatur, der Lufttemperatur auf Meereshöhe und dem Bewölkungsgrad im äquatorialen Pazifik. Quellen: Daten: ESRL, NOAA / Grafik: MeteoSchweiz

Einjährige und zweijährige El Niño-Ereignisse

Im Vergleich zum gut dokumentierten und häufigen Auftreten von mehrjährigen La Niña-Ereignissen ist der zweijährige El Niño weniger häufig und wurde bisher nicht gut untersucht. Beide stellen eine Diskrepanz zum zyklischen Verhalten der El Niño-Southern Oscillation dar. Im Zeitraum 1950-2021 halten 75 % der El Niño-Ereignisse ein Jahr lang an, und 25 % von ihnen dauern zwei Jahre. Sowohl El Niños vom zentral- als auch vom ostpazifischen Typ treten in den ein- und zweijährigen El Niños mit unterschiedlicher Stärke auf. Im Durchschnitt besteht kein Zusammenhang zwischen dem Anfangszeitpunkt und der Dauer eines El Niño-Ereignisses. Im Vergleich zu den einjährigen El Niño ist das gemittelte Warmwasservolumen (WWV) in der Spitze größer und nimmt bei den zweijährigen El Niños langsamer ab, was darauf hindeutet, dass ein anhaltend aufgeladener Wärmezustand des äquatorialen Pazifiks eine Voraussetzung für das Entstehen eines zweijährigen El Niños ist. Der schnellere Rückgang der WWV bei den einjährigen El Niños hängt mit der phasengleichen Abnahme ihrer intraseasonal-interseasonalen und interannualen Komponenten zusammen, während der langsamere Rückgang der WWV bei den zweijährigen El Niños durch die interannuale Komponente bestimmt wird. Darüber hinaus können der einjährige und der zweijährige El Niño unterschiedliche Auswirkungen auf das regionale Klima haben. (Gao et al. 2022)

Mehrjährige El-Niño-Ereignisse führen weltweit zu schweren und anhaltenden Überschwemmungen und Dürren mit erheblichen sozioökonomischen Auswirkungen, aber die Ursachen für ihr lang anhaltendes Verhalten sind noch nicht vollständig geklärt.

Eine neuere Hypothese geht von einem wechselseitigen Rückkopplungsmechanismus zwischen den Tropen und den Außertropen aus. Danach ist die mit der Nordpazifischen Oszillation (NPO) verbundene außertropische atmosphärische Variabilität eine wichtige Quelle für mehrjährige El-Niño-Ereignisse. Die NPO kann während des Nordwinters im darauffolgenden Winter einen zentralpazifischen El Niño auslösen, der atmosphärische Telekonnektionen zu den Extratropen anregt, die die NPO-Variabilität wieder verstärken und dann im darauffolgenden Winter ein weiteres El Niño-Ereignis auslösen, was schließlich zu anhaltenden El Niño-ähnlichen Zuständen führt. (Ding et al. 2022)

pazifik_enso_regen_lres

Pazifikregion - El Niño-Durchschnitt der saisonalen Niederschläge im Vergleich zum langfristigen saisonalen Durchschnitt für 1979-2003, absolut und relativ

Sep-Oct-Nov | Dec-Jan-Feb

Die nebenstehenden Karten zeigen Niederschlagsmuster für Sep-Okt-Nov (Frühling auf der Südhalbkugel) und für Dez-Jan-Feb (Winter auf der Südhalbkugel), die aus einer kombinierten Analyse der Niederschläge von 1979 bis 2003 generiert wurden.

Die obere Reihe zeigt den durchschnittlichen täglichen Niederschlag, der für den gegebenen Zeitraum und die ENSO-Bedingungen vorherrscht. Dunklere Farben zeigen mehr Regen an. Die untere Zeile zeigt, wie die Werte in der obigen Karte im Vergleich zum Gesamtdurchschnitt für diese Jahreszeit aussehen. Blaue Farben kennzeichnen Gebiete, die unter den oben genannten ENSO-Bedingungen (siehe Titel) mehr als den durchschnittlichen Niederschlag erhalten. Braune Farben kennzeichnen Gebiete, die weniger Regen erhalten. Quelle: UNOCHA

El Niño - Entwicklung

Die folgenden Grafiken (Hovmöller-Diagramme) illustrieren die modellhafte Entwicklung eines El Niño-Ereignisses.

El Niño evolution in the tropical Pacific Ocean

Entwicklung von El Niño
im tropischen Pazifik

In jedem Bild ist Indonesien auf der linken und Südamerika auf der rechten Seite.

Aktuelle Darstellungen finden Sie über die angegebene Quelle unten.

Quelle: NOAA PMEL

El Niño - Fernwirkungen

Die Intensität eines El Niño-Ereignisses kann zwischen schwach über mäßig bis stark oder außergewöhnlich variieren. Eine starke Ausprägung macht es wahrscheinlicher, dass die Klimaverhältnisse in weit vom Pazifikbecken entfernten Räumen beeinflusst werden, wohingegen schwache El Niño-Ereignisse sich vorwiegend in den Staaten des Pazifikrandes auswirken (siehe Kapitel 'Globale Auswirkungen)'. Empirisch haben sich weltweit folgende El Niño-Brennpunkte mit typischen Erscheinungen herausgeschält:

El Niño und Niederschlag

El Niño und Niederschlag

Es ist bekannt, dass beim Auftreten von El Niño-Bedingungen im tropischen Pazifik sich die Niederschlagsmuster in vielen Teilen der Erde verändern. Obwohl sie durchaus unterschiedliche Veränderungscharakteristiken von einem El Niño zum nächsten aufweisen, bleiben die stärksten Veränderungen doch ziemlich konsistent. Sie sind in der nebenstehenden Karte mit der Zeit ihres Auftretens eingetragen.

"The most reliable effects of El Niño are deficient rainfall over Indonesia and northern South America, and excess rainfall in southeastern South America, eastern equatorial Africa, and the southern US."

Quelle: NOAA

El Niño - Mechanismen und Vorhersagbarkeit

El Niño im aktuellen Sinne ist - mit Einschränkungen - vorhersagbar (s. Kap. Beobachtung und Vorhersage), da eine Verzögerung zwischen dem Phänomen selbst und seinen klimatischen Konsequenzen existiert. Die Vorhersagen für den El Niño von 1997/98 z.B. hatten eine hohe Treffergenauigkeit, auch hinsichtlich seiner Telekonnektionen (NOVAonline). Allerdings ergaben sich in der Rückschau einige Mängel und auch bei Vorhersagen in Folgejahren. Wegen der relativ guten Datenlage der jüngeren ENSO-Episoden wird El Niño für das Austesten von Modellen zur Klimavorhersage verwendet.

Bis heute treten Wissenschaftler mit immer neuen Vorhersagemethoden auf, deren Qualität und Überlegenheit gegenüber etablierten Methoden sie mit guten Ergebnissen bei Rückberechnungsverfahren (hindcasting) zu belegen suchen. Ein viel versprechender Ansatz, bei dem mit Hilfe moderner Methoden aus der Statistischen Physik Zusammenhänge im Messnetz untersucht und dabei verborgene Fernwirkungen aufgespürt werden, wurde 2013 von einer interdisziplinären, überwiegend deutschen Gruppe vorgestellt. Allerdings ist nicht sicher, ob diese Methode, die im Übrigen nur für Warmereignisse verwendbar ist, operationell eingesetzt wird.

Das Phänomen El Niño ist in vielen seiner Mechanismen gut verstanden. Unklar sind aber nach wie vor seine wirklichen Ursachen. Es besteht eine ausgesprochene Henne-Ei-Beziehung zwischen den Änderungen von Ozeantemperaturen einerseits und Änderungen der atmosphärischen Druckgradienten und Windsysteme andererseits. Beide treiben sich gegenseitig an, aber keine Seite ist eindeutig oder generell "der" Auslöser des El Niño. Sie interagieren und bilden den komplexen Vorgang ENSO.

Immerhin kann die Frage nach dem 'Warum' von El Niño damit beantwortet werden, dass es sich dabei um einen Standardmechanismus unseres Systems Erde handelt, mit dem es Wärmeüberschuss aus den Tropen in die Außertropen transportiert. Dies geschieht während eines Niños über die stärkeren Winterstürme, beispielsweise in Kalifornien und Chile.

El Niño - Existenz in vergangenen Klimaten

Instrumentenaufzeichnungen, die zur Identifikation von El Niño und La Niña in der Zeit vor der Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet werden können, sind nur sehr beschränkt vorhanden. Dennoch ist es möglich, El Niño-Ereignisse aus der Vergangenheit zu identifizieren, und zwar mit Hilfe historischer Aufzeichnungen früher Entdecker und Siedler in jenen Pazifikrandgebieten, wo in heutiger Zeit El Niño das Wetter und Klima beeinflusst. Quinn et al. (1987) erstellten eine Chronologie von El Niño-Ereignissen, die bis zum Jahr 1525 zurückreicht, wobei sie historische Berichte über die Bedingungen in der Küstenregion und angrenzenden Gewässern im Nordwesten Südamerikas verwendeten. In ihrer Arbeit behaupten sie, dass Francisco Pizarros Eroberung des Inkareiches (1531–1532) mit einem El Niño-Ereignis zusammenfiel. Starke Regenfälle und angeschwollene Flüsse, Erscheinungen, die in Peru nur während El Niño-Jahren auftreten, verlangsamten Pizarros Vorrücken. Andererseits waren es aber die gleichen Niederschläge, die für eine reiche Vegetation sorgten und so genügend Futter für seine Pferde lieferten, welche neben der Schwertbewaffnung der wichtigste taktische Vorteil war, den sein kleines Soldaten-Kontingent gegenüber den Eingeborenen hatte.

Quinn (1992) erweiterte diese Chronologie noch weiter zurück bis ins Jahr 622 n.Chr. Dazu zog er die jährlichen Nil-Abflussmaxima heran, abgelesen an einem Nilometer bei Kairo, sowie diesbezügliche historische Informationen zu afrikanischen Dürren, Überschwemmungen, Seuchen und Hungersnöten. Sorgfältige Aufzeichnungen des Nil-Abflusses (Nilschwemme) wurden bekanntlich aufbewahrt, da sie Jahrtausende lang die Basis der ägyptischen Landwirtschaft waren. Die Abflussdaten geben Auskunft über deren jährliche Änderungen, die dann in Bezug gesetzt werden können mit den Regenmengen des Sommermonsuns über dem Hochland von Äthiopien. Diese Niederschläge und die Wassermengen des Nils, die sie speisen, fallen während El Niño-Jahren typischerweise geringer aus.

Es ist möglich, die Schwankungen des ENSO-Phänomens noch weiter in die Vergangenheit mit Klimarekonstruktion zurückzuverfolgen, indem man Proxy-Daten von Baumringen, Warvenproben aus Seesedimenten, Bohrkerne aus Gletschereis und Korallenproben aus dem tropischen Pazifik verwendet (siehe Kapitel 'Indikatoren'). Diese Proxys konservieren Jahr-zu-Jahr-Aufzeichnungen von klimabezogenen Umweltparametern wie Temperatur, Niederschlag oder Niederschlagsabfluss. Die relevante Klimainformation ist verschlüsselt in der chemischen und der Isotopenzusammensetzung von Korallenskeletten, dem Wassergehalt und den chemischen Eigenschaften von Eisbohrkernen, der Mächtigkeit und den Korngrößen von Sedimentschichten und der Breite und Dichte von Baumringen. Wenn diese Proxys mit Hilfe von modernen Instrumentenaufzeichnungen korrekt kalibriert werden, ermöglichen sie Untersuchungen von ENSO-abhängiger Klimavariabilität bis einige Jahrtausende zurück in die Vergangenheit (McPhaden 2003).

In einer 2016 veröffentlichten Studie zur Klimageschichte der vergangenen 2000 Jahre äußern Wissenschaftler (Nature Communications) die Hypothese, dass ENSO-Oszillationen für weltweite, Jahrhunderte andauernde Klimaschwankungen verantwortlich sein könnten. Beispielsweise korrespondieren eine nordhemisphärische Erwärmung und Dürren zwischen den Jahren 950 und 1250 (ca. Zeit des mittelalterlichen Klimaoptimums) mit einem El Niño-ähnlichen Zustand im Pazifik, der zwischen 1350 und 1900 (ca. Zeit der kleinen Eiszeit) zu einem La Niña-ähnlichen Muster wechselte. Die Wissenschaftler untersuchten Spurenelemente und stabile Isotope in Stalagmiten von der indonesischen Insel Flores zur Rekonstruktion vergangener Niederschläge und verglichen sie mit Niederschlagsreihen aus Ostasien und dem äquatorialen Zentral- und Ostpazifik.

Das Alter des El Niño-Phänomens und damit von ENSO insgesamt rechnet sich mindestens nach einigen Tausend Jahren. Wegen der tiefgreifenden Auswirkungen von ENSO auf Niederschlag und Temperatur in vielen Gebieten der Erde hinterließ das Phänomen seine Spuren in vielen Proxy-Datenreihen über vergangene Klimaverhältnisse. Zum Beispiel haben in Ecuador verstärkte Niederschläge und Überschwemmungen während El Niño-Ereignissen zu verstärkten Ablagerungen von See-Sedimenten geführt, die es Paläoklimatologen erlauben, aus ihnen Informationen über die Variabilität der ENSO-Aktivität zu entnehmen. Ein Warven-Bohrkern aus einem See in Ecuador wird so interpretiert, dass im frühen und mittleren Holozän (10.000 - 6.000 BP) ENSO nicht existierte (Rodbell et al. 1999; Moy et al. 2002; Federov und Philander 2000, 2001).

Hinweise auf ENSO-Aktivitäten geben auch die Sedimente von extremen Fluten und Schuttströmen aus der südperuanischen Wüste. Keefer et al. (2003) benutzen Ablagerungen von drei küstennahen Schwemmfächern, um eine Chronologie der extremen El Nino-Ereignisse zu erstellen. Die 14C-datierten Sedimente reichen bis 38,2 Tsd. J.v.h. zurück. Sie repräsentieren das LGM, LGT und das Holozän. Sie werden von mehreren Metern mächtigen Schuttstrommsedimenten aus Geröllen in einer Matrix aus Silt und Sand aufgebaut; sie bilden charakteristische Ablagerungen von Starkregenereignissen in einer extrem ariden Umgebung. (Heine 2019)

Das Fehlen von ENSO im frühen Holozän (oder ein beträchtlich schwächeres ENSO verglichen mit der heutigen Ausprägung) deckt sich mit Daten, die aus fossilen Korallen gewonnen wurden (Tudhope et al. 2001; Hughen et al. 1999). Unter Verwendung eines numerischen gekoppelten Modells mittlerer Komplexität (Zebiak und Cane 1987) kommen Clement et al. (2000) zu dem Schluss, dass die geschwächte ENSO während des frühen Holozäns mit unterschiedlichen Parametern der Erdumlaufbahn erklärt werden können. Von anderer Seite (Sun 2000) wird hingegen angeführt, das eine geringere vertikale Schichtung des oberen Ozeans für die geschwächten ENSO-Verhältnisse sein können. Er versucht damit auch die Befunde von Sandweiss et al. (1996) zu erklären, die vor der Küste Perus Warmwasser-Mollusken in Breiten gefunden haben, wo sie heute nicht auftreten. Sandweiss et al. schlossen daraus, das die Durchschnittstemperaturen im frühen Holozän wärmer waren und zu einem anhaltenden El Niño-Zustand führten. Diese Folgerung wurde allerdings von Clement et al. (2000) in Frage gestellt. Sie wiesen darauf hin, dass zu dieser Zeit die Kaltphase von ENSO (La Niña) ebenfalls schächer war und die Mollusken deshalb nicht denselben kalten Temperaturen ausgesetzt waren, wie es heute während La Niña der Fall wäre.

Somit bestehen weiterhin unterschiedliche Auffassungen bezügliche des mittleren Zustands von ENSO im frühen Holozän, wohingegen Einigkeit darüber herrscht, dass das Maß der ENSO-Aktivität im Holozän nicht konstant war und ist. Dies belegen z.B. auch die Korallen-Untersuchungen von Cobb et al. (2003), die eine beträchtliche Variabilität der ENSO-Aktivität für das vergangene Jahrtausend nahelegen.

Ob El Niño während der Kaltzeiten existierte, ist wahrscheinlich, aber noch umstritten, auch seine damalige Frequenz und Stärke. Immerhin legen z.B. die über 130.000 Jahre zurückreichenden Korallendaten aus Papua-Neuguinea von Tudhope et al. (2001) nahe, dass ENSO während der Kaltzeiten schwächer war als heute und während der Interglaziale mit den heutigen Bedingungen vergleichbar war. Allerdings weitere Datenreihen nötig, um diesen Befund zu bestätigen.

Es scheint angebracht, für die weit zurückliegenden und noch unzureichend erforschten Zeiten eher von El Niño-ähnlichen Phänomenen zu sprechen. Solche haben Forscher u.a. vom Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie durch die Analyse von molekularen Fossilien für das Eem-Interglazial vor 125.000 Jahren bestimmen können. Als Folge ungewöhnlich starker Regenfälle wurden damals Süßwasser-Kieselalgen (Diatomeen) aus Flüssen, sowie Blätter terrestrischer Herkunft und Reste von Blütenpflanzen aus der Atacama- Wüste in das Meer gespült. Die Forscher fanden die fossilen Moleküle (Biomarker) dieser Organismen in Bohrkernen des Ocean Drilling Program (ODP) vom Meeresboden vor der peruanischen Küste und konnten auch den Zeitpunkt der Ablagerung bestimmen.

Ein größerer Schritt in die Vergangenheit hinsichtlich des Alters von El Niño reicht bis ins Pliozän mit der Schließung des Isthmus von Panama, die eine Differenzierung der Wärme- und Zirkulationsverhältnisse in Atlantik und Pazifik mit sich brachte.

Nach Angaben von Wissenschaftlern um Michael Wara (2005) von der Universität von Kalifornien in Santa Cruz wurde während langer Phasen des Pliozäns der tropische Pazifik sogar dauerhaft von Klimaverhältnissen geprägt, wie sie gegenwärtig nur während so genannter El-Niño-Ereignisse in der Region auftreten. Danach herrschten vor 4,5 bis 3 Mill. Jahren weitgehend ausgeglichene, warme Temperaturverhältnisse im tropischen Pazifik mit einem nur geringen Gradienten von etwa 1,5 °C zwischen dem westlichen und dem östlichen Teilbereich. Auch lag die thermale Sprungschicht (Thermokline) vor der Küste Südamerikas wesentlich tiefer als während der meisten Jahre heutzutage. Es herrschte also nach ihrer Einschätzung ein permanenter El Niño, bzw. eine Abwesenheit von ENSO.

Dagegen zeigt sich in der gegenwärtigen Erdperiode außerhalb von so genannten El Niño-Jahren ein viel stärkerer Temperaturkontrast von etwa 5 °C zwischen dem eher kalten Ost- und dem warmen Westpazifik, der vor allem durch kaltes Auftriebswasser vor Südamerika verursacht wird. Die Belege für diese Angaben finden sich in den Untersuchungen von ungefähr 400 Sedimentproben von den Küsten Indonesiens und der Galapagos-Inseln. Diese Bohrkerne beinhalten die Schalen von Foraminiferen - marine Einzeller -, die im Oberflächenwasser der Meere leben. In Abhängigkeit von der jeweiligen Wassertemperatur bilden sich in ihren Schalen unterschiedliche Verhältnisse von Magnesium zu Kalzium aus, sodass sich daraus die Temperaturkurve vergangener Zeiten ablesen lässt. Die Rekonstruktion der Tiefenlage der thermalen Sprungschicht im Ostpazifik basiert zudem auf Messungen unterschiedlicher Sauerstoffisotopengehalte in den ebenfalls sedimentierten Schalen einer oberflächennah und einer in tieferen Gewässern schwimmenden Foraminifera.

Noch weiter zurück geht eine Gruppe internationaler Wissenschaftler, die 50 Millionen Jahre alte Muschelschalen und Holz aus der damals eisfreien Antarktis untersucht hat. In den Wachstumsringen dieser Fossilien finden sich Hinweise darauf, dass es auch in der letzten großen Warmphase der Erdgeschichte, dem Eozän, einen Klimarhythmus über dem Südpazifik gab, der dem heutigen El Niño-La Niña-Wechselspiel ähnelte. Die Befunde legen den Schluss nahe, dass auch beim aktuellen Klimawandel die höheren Temperaturen nicht notwendigerweise zu einem dauerhaften El Niño führen müssen, wie manche Wissenschaftler annehmen.

Untersuchungen britischer Wissenschaftler an gebändertem Schiefer (kalifornischer Marca Shale) aus dem Maastrichtium der Oberkreide mit Wechsellagerungen von terrigenen und Diatomeen enthaltenden Schichtpaaren belegen auch für diese Zeit mit ihren insgesamt milden Temperaturen (keine polare Vereisung) eine zwischenjährliche Klimavariabilität, die der heutigen ENSO-Variabilität ähnelt. Insofern sprechen auch diese Befunde gegen die Hypothese von einem Dauer-El Niño in einem künftigen Warmklima.

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Cucullaea raea-Schale aus dem Eozän

Größenvergleich: Eine Cucullaea raea-Schale aus dem Eozän neben einer Münze. Muscheln bilden wie Bäume Wachstumsringe. Deren Breite können Aufschluss über Wachstumsrhythmen geben.

 

Quelle: AWI

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Schnitt durch die Schale einer Cucullaea raea

Schnitt durch die Schale einer Cucullaea raea, der die Wachstumsringe zeigt. Im Bildausschnitt markiert der schwarze Pfeil die Wachstumsspanne eines Jahres. Die weißen Pfeile zeigen auf dunkle Bänder, die Phasen sehr langsamen Wachstums darstellen - in diesem Fall aus der Sommerzeit.

Ob Muscheln wachsen, hängt vom Futteraufkommen und der Wärme ab. Das bedeutet, der damalige Wechsel von “guten” und “schlechten” Umweltbedingungen spiegelt sich noch heute in der Breite der Wachstumsringe wieder. Dieser Wechsel erfolgte nach den Untersuchungen im gleichen 3-bis-6-Jahres-Rhythmus, wie man ihn vom heutigen ENSO kennt.

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