Das ENSO-Phänomen

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ENSO-Lexikon

Küsten-El Niño

Der sogenannte Küsten-El Niño (span. El Niño costero, engl. coastal El Niño) ist eine relativ neue Bezeichnung für das mehrere Monate andauernde Auftreten von außergewöhnlich warmen Wassermassen vor den Küsten (Nord-)Perus und Ecuadors. Diese regionale El Niño-Variante basiert auf der ursprünglichen Auffassung von El Niño und wurde von den Mitarbeitern des ressortübergreifenden peruanischen Forschungsverbunds ENFEN (Comité Multisectorial Encargado del Estudio Nacional del Fenómeno El Niño) eingeführt. Ihre nur regionale Erwärmung der Meeresoberflächentemperaturen unterscheidet sie vom Pazifik-weiten El Niño.

Weder die Mechanismen, die den Küsten-El Niño auslösen, noch dessen Auswirkungen auf Land sind Teil seiner Definition. Aber diese El Niño-Variante kann sowohl auftreten als Teil von ENSO mit dessen großskaligen Veränderungen von Luftdruck, Winden und ozeanischen Wellen im äquatorialen Pazifik, wie auch nur regional entstehen aufgrund von Veränderungen der Luftzirkulation über dem Ostpazifik.

In einigen Fällen können die warmen Wassermassen sich südwärts bis zur Küste von Zentral- und Südperu ausbreiten. Ein Küsten-El Niño kann einhergehen mit sehr starken Regenfällen während des Südsommers, von denen die tiefen und mittleren Höhenlagen im Bereich der Küsten Ecuadors und des nördlichen und mittleren Perus betroffen sind. Ebenso können je nach Stärke und Dauer des Ereignisses Auswirkungen auf das marine Ökosystem sowie auf die Wellendynamik vor Peru auftreten.

Anders als der großräumige El Niño ist der Küsten-El Niño nicht Monate im Voraus vorhersagbar. Verursacht wird er durch die Abschwächung des Südwinds (Passat) an der Küste. Normalerweise unterstützt der Südwind den Humboldtstrom, der kühles Wasser nach Norden transportiert, und er bewirkt das Aufquellen von kaltem Tiefenwasser (Upwelling). An der Küste kommt es dadurch tendenziell zum Absinken von Luftmassen, und es regnet nur selten.

Im Zeitraum 1979-2017 hat man sieben küstennahe El Niños identifiziert, nämlich 1983, 1987, 1998, 2008, 2014, 2015 und 2017. Zusammenfassend kann man sagen, dass es eine große Bandbreite von Küsten-El Niños gibt, was ihre Entwicklung, ihren Mechanismus und ihren zeitlichen Ablauf betrifft.

Tritt ein Küsten-El Niño auf, ist das Upwelling wegen der abgeflauten Südwinde vermindert, das Wasser vor der Küste kann sich durch die sommerliche Einstrahlung stark erwärmen, es kann fünf bis sechs Grad wärmer als üblich sein. Die Folgen sind starke Verdunstung und Feuchtetransport auf Land mit z.T. Starkniederschlägen, torrentiellem Abfluss in Bächen und Flüssen, Schlammlawinen (huaicos). Daraus können sich Katastrophenereignisse ergeben, die während des Küsten-El Niño von 2017 besonders im Februar und März vor allem in Peru zu Notsituationen mit entsprechenden Infrastrukturschäden und Menschenverlusten führten, wie während der extremen El Niños von 1983 und 1998. Wegen Überflutungen und Erdrutschen wurden für mehr als 800 der rund 1800 peruanischen Bezirke der Notstand ausgerufen. Landesweit verloren mehr als 70.000 Menschen ihre Unterkunft und ihren Besitz. Der geschätzte Gesamtschaden belief sich auf 3,1 Mrd. Dollar. 177 Personen starben. Zudem führten die Regenmassen zu einer Aussüßung der Küstengewässer. Der Salzgehalt des Meerwassers sank mancherorts auf ein Viertel des üblichen Wertes. Betroffen waren vor allem Muschelzüchter, deren Muscheln im versüßten Meerwasser eingingen.

Die Auswirkungen eines Küsten-El Niños sind nach bisherigem Kenntnisstand auf die erwähnten Regionen beschränkt.

Peru's Deadly Rainfall Examined With NASA's GPM Data

Perus tödliche Regenfälle mit GPM-Daten der NASA untersucht

Die ungewöhnlich starken Regenfälle des Jahres 2017 haben in Peru zu umfangreichen Überschwemmungen und Todesopfern geführt. Extreme Überschwemmungen und zahlreiche Erdrutsche, die im März auftraten, haben viele Menschen aus ihren Häusern gezwungen. Ein El Niño-ähnlicher Zustand mit warmem Ozeanwasser entwickelte sich in der Nähe der peruanischen Küste. Dieses extrem warme Wasser wurde für die Entwicklung dieser Stürme verantwortlich gemacht. Die äquatorialen Meeresoberflächentemperaturen (SSTs) sind in anderen Gebieten des zentralen und östlichen Zentralpazifiks etwa durchschnittlich.

Dieses Bild zeigt die Positionen der Unwetter, die schwere Niederschläge über dem Nordwesten Perus fallen ließen, als der Satellit des GPM Core Observatory am 20. März 2017 um 0826 UTC darüber flog. Die von den GPM-Instrumenten Microwave Imager (GMI) und Dual-Frequency Precipitation Radar (DPR) während dieses Überflugs gesammelten Daten zeigten, dass in diesem Gebiet sehr starke Niederschläge fielen. Die Radardaten von GPM (DPR Ku-Band) zeigten, dass einige Stürme Regen mit einer extremen Menge von mehr als 137 mm pro Stunde absetzten.

Das Radar des GPM-Satelliten (DPR Ku-Band) wurde ebenfalls verwendet, um die 3-D-Struktur des Niederschlags innerhalb der Stürme zu untersuchen. Die Analyse von GPM zeigte, dass mehrere Unwetter im Pazifik Höhen von über 13 km erreichten.

Quelle: NASA PMM

Man sieht starke Küsten-El Niños nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel, dies wird aber diskutiert. Klimaforscher weisen immer wieder darauf hin, dass Extremwetterereignisse infolge der Erderwärmung zunehmen.

Aus praktischen Gründen hat sich ENFEN dafür entschieden, Küsten-El Niños mit Hilfe der Anomalien der Meeresoberflächentemperaturen in der Region Niño 1+2 zu bestimmen, da deren Werte eng mit entsprechenden Auswirkungen (z.B. Küstenniederschläge, Fischerei usw.) verbunden sind und sie auch Teil der großskaligen Ozean-Atmosphärendynamik sind, die bei der Vorhersage behilflich sind.

Um das Auftreten und die Stärke von Küsten-El Niños in operativer Weise zu bestimmen, hat das ENFEN den “El Niño-Küstenindex” (Índice Costero El Niño, ICEN) geschaffen, der aus dem Mittelwert der dreimonatigen Anomalien der SST in der Region “Niño 1+2” besteht. Um als Küsten-El Niño zu gelten, muss der ICEN mindestens drei Monate in Folge +0,4°C übersteigen (Nota Técnica ENFEN, 2012). Die Stärke des Ereignisses kann schwach, mäßig, stark oder außergewöhnlich stark sein, abhängig von den jeweiligen Höchstwerten des ICEN.

Im Jahr 2015 hat das ENFEN ein Warnsystem für Küsten-El Niños eingeführt (Nota Técnica ENFEN, 01-2015), um früher vor dem Auftreten eines Küsten-El Niño zu warnen, ohne warten zu müssen, bis der o.g. Grenzwert erreicht ist.

Im Allgemeinen kann ein bestimmtes Ereignis eine Kombination aus einer El Niño-, La Niña- oder Neutralphase in ihrer Küstenvariante und ihrer Zentralpazifik-Variante sein. Beispielsweise hat sich ein Küsten-El Niño im Südsommer 2017 ereignet und gleichzeitig waren im Zentralpazifik neutrale Bedingungen anzutreffen. Demgegenüber haben sich während der El Niños 1982-83 und 1997-98 El Niño-Bedingungen sowohl an der Küste, als auch im Zentralpazifik entwickelt. Diese Kombinationen und die entsprechenden Intensitäten gehen mit verschiedenen Auswirkungen in Peru einher.

The anomalous 2017 coastal El Niño event in Peru (Abstract)

"Remarkably heavy and devastating rainfalls affected large parts of Peru during the austral summer 2016–2017. These rainfalls favoured widespread land sliding and extensive flooding and generated one of the most severe disasters of Peru since the 1997–1998 El Niño event. The amount of rainfall recorded between January and March 2017 only compares to the biggest El Niño events of the last 40 years (i.e. 1982–1983 and 1997–1998) and exceeded the 90th percentile of available records (1981–2017) over much of the northern and central coasts of Peru, the Andean region and Amazonia. The occurrence of these heavy rainfalls was highly anomalous as it occurred during the first austral summer following the development and decay of a very strong El Niño in 2015–2016. Here, we propose that the likely cause of the anomalous rainfalls is linked to the combination of an especially intense wet spell over the Central Andes related to a deep, long-lasting anticyclone located adjacent to the Chilean coast, and to the unusual development of warm water off the coast of Peru in the nominal El Niño 1 + 2 region. This warming has been related to an anomalous weakening of the mid-upper level subtropical westerly flow, which in turn led to a weakening of the southeasterly trades off the coast, thus hindering the upwelling near the Peruvian coast and favoring the eastern Pacific warming. This development is counter to the usual evolution of sea surface temperature in the eastern equatorial Pacific following very strong El Niño events, such as those occurred in 1982–1983, 1997–1998, and 2015–2016."

C. Rodríguez-Morata, H. F. Díaz, J. A. Ballesteros-Canovas, M. Rohrer, M. Stoffel (2018)

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