Das ENSO-Phänomen

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ENSO-Lexikon

Nordatlantische Oszillation (NAO)

Bezeichnung für das starken interannuellen und dekadischen Schwankungen unterworfene Luftdrucksystem über dem nördlichen Atlantik. Das Drucksystem ist durch das Zusammenspiel von zwei unterschiedlichen Druckgebilden, dem Islandtief und dem Azorenhoch, geprägt, einer Art Luftdruckschaukel mit entgegengesetzten Tendenzen. Dies hat große Bedeutung für das Wetter über Europa, Nordamerika und Nordafrika, insbesondere für die Stärke der winterlichen Westwinde.

In den mittleren Breiten haben Änderungen in den jeweiligen Phasen der NAO Auswirkungen auf Sturmzugbahnen und den damit zusammenhängenden Transport von Wärme und Feuchte. Die NAO ist aber auch von Relevanz über die Klimaforschung hinaus, z.B. für die Fischereiwirtschaft, die Versicherungsbranche oder die Energiewirtschaft.

Der NAO-Index ändert sich zeitlich stark. Anhand der statistischen Daten lassen sich verschiedene Typen von zeitlichen Änderungen ableiten. So gibt es neben den kurzfristigen Schwankungen im Bereich von zwei bis fünf Jahren noch dem überlagerte periodische Schwankungen mit einem Rhythmus von 12-15 Jahren (dekadische Oszillation) und etwa 70 Jahren (Atlantische Multidekaden-Oszillation, AMO).

Nach ENSO ist das NAO-Muster einer der dominierendsten Modi globaler Klimavariabilität. Erstmals beschrieben wurde das Phänomen durch den dänischen Missionar Hans E. Saabye in seinem Tagebuch der Jahre 1770-1778: "In Greenland, all winters are severe, yet they are not alike. The Danes have noticed that when the winter in Denmark was severe, as we perceive it, the winter in Greenland in its manner was mild, and conversely."
Diese Temperaturschaukel ist Ausdruck der NAO.

nao_index_winter

Nordatlantik-Oszillation Index für die Wintermonate Dezember
bis März (1864-2014)

Als Maß für die NAO wird, vergleichbar dem SOI, ein Index der Luftdruckunterschiede an repräsentativen Stationen benutzt. Es sind dies Stykkysholmur auf Island und Lissabon, Portugal. Ein anderer verwendet anstelle der Station von Lissabon die Station Ponta del Gada auf den Azoren. Allgemein gilt, dass der NAOI die Differenz der Druckanomalie auf den Azoren minus der auf Island ist.

Quelle und vertiefende Erläuterungen: UCAR

Die Winter und Frühjahre der Jahre 1989, 1990 und 1995 mit hohem Index wurden verursacht durch die Verlagerung von Luftmassen aus der Arktis und dem Gebiet um Grönland in die Subtropen um die Azoren und die iberische Halbinsel. Dies hatte eine Verstärkung der Westwinde über dem Nordatlantik zur Folge. Stärkere Westwinde bringen mehr warmfeuchte Luftmassen nach Europa und bedingen mildere maritime Winter. Die Low-Index Winter und Frühjahre der Jahre 1917, 1936, 1963 und 1969 hatten schwächere Westwinde über dem Nordatlantik mit entsprechend kühleren Temperaturen gegenüber den Normalwerten. Die verstärkten oder geschwächten Westwinde haben auch markante Auswirkungen auf die ozeanischen Ökosysteme und letztlich auch auf die Fischbestände im Nordatlantik.
Häufig sind beide Druckgebiete gleichzeitig stark ausgeprägt. Umgekehrt ist schwacher Tiefdruck bei Island meist auch nur mit mäßigem Hochdruck westlich von Gibraltar verbunden. Im ersten Fall ist der Luftdruckgradient zwischen Azoren und Island besonders steil. In der Folge herrschen Westwinde über dem Nordatlantik vor (Zonalität); feuchte, milde Meeresluft strömt zusammen mit wandernden Zyklonenfamilien nach Europa und verdrängt arktische Luftmassen.

Positiver NAO-Index

Situation bei positivem NAO-Index


Bei einem positiven NAO-Index sind sowohl Azorenhoch als auch Islandtief gut ausgebildet. Dies führt in den meisten Fällen zu einer starken Westdrift, die milde und feuchte Luft nach Europa führt. In Extremfällen bringt diese sogar zahlreiche Stürme mit sich. So resultierten die Winterstürme und Orkane 1999 (Anatol, Lothar, Martin) aus solch einer Lage.

Quelle: David B. Stephenson

Ist der NAO-Index dagegen niedrig oder negativ, so ist der zonale Grundstrom schwach, meridionale, blockierende Wetterlagen überwiegen. Die Winter in Europa werden kälter.

Negativer NAO-Index

Situation bei negativem NAO-Index


Bei einem negativen NAO-Index sind die Aktionszentren nur schwach ausgeprägt, womit auch die Westdrift "einschläft". So führen häufige Kaltlufteinbrüche aus Nordosten in Mitteleuropa immer wieder zu entsprechend kalten Wintern. Die abgeschwächte Westwinddrift verlagert sich südwärts und führt im Mittelmeerraum zu feuchterem Wetter.
Hat das Azorenhoch den Platz des Islandtiefs eingenommen, und umgekehrt, so ist der NAO-Index stark negativ. In der Fachwelt spricht man dann häufig von einer High-over-Low-Lage. Kalte, kontinentale Luft ausgehend vom asiatischen Hoch, welches umgangssprachlich auch Sibirienhoch genannt wird, kann in diesem Fall bis weit nach Mitteleuropa vordringen.

Quelle: David B. Stephenson

Während sich der pazifische Southern Oscillation Index (SOI) auf Druckdifferenzen von Stationen in niederen Breiten mit unterschiedlichen Längen bezieht, wird die NAO an zwei Stationen mit ungefähr gleicher Länge, aber stark unterschiedlicher Breite gemessen. Der SOI ist ein Maß für die Stärke der Passate, die fast immer aus östlicher Richtung kommen, während sich der NAO-Index sich auf die Geschwindigkeit Westwinden der Mittelbreiten bezieht.

Da die NAO einen großen Einfluss auf das regionale Klima besitzt, ist deren Vorhersagbarkeit von großem Interesse. Diese ist aber nach aktuellem Forschungsstand deutlich eingeschränkt, beispielsweise im Vergleich zu ENSO. Dies liegt vor allem an der chaotischen Natur der außertropischen Atmosphäre, in der kleinste Änderungen in den Anfangsbedingungen zu völlig unterschiedlichen Endzuständen führen können.
Der Mechanismus der NAO ist deutlich weniger verstanden als der der Southern Oscillation.

Es scheint übrigens geklärt, dass zwischen NAO und El Niño nur schwache Beziehungen bestehen.

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