Das ENSO-Phänomen

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Kleines Lexikon der Fernerkundung

Radar-System

Aktive Fernerkundungsverfahren, d.h. die verwendete elektromagnetische Strahlung wird vom Aufnahme-System selbst erzeugt. Dabei handelt es sich stets um Mikrowellenstrahlung einer bestimmten Frequenz im Bereich zwischen etwa 1 und 100 cm Wellenlänge. Die Daten-Aufnahme ist deshalb unabhängig von den naturgegebenen Strahlungsverhältnissen und - da die Mikrowellen Wolken, Dunst und Rauch durchdringen - auch unabhängig von der jeweiligen Wetterlage.

Beistehende Abbildung skizziert die Funktionsweise eines einfachen Radar-Systems. Im Flugzeug wird ein kombinierter Sender/Empfänger mitgeführt, dessen Antenne schräg nach unten gerichtet ist. Sie ist so konstruiert, dass sich die in einem Bruchteil einer Sekunde ausgestrahlten Mikrowellen in einen sehr schmalen, aber langen Raumwinkel hinaus senkrecht zur Flugrichtung ausbreiten. Zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht die Front der ausgesandten Wellen ein bestimmtes Flächenelement F des Geländes. Von diesem wird die auftreffende Mikrowellenstrahlung teilweise reflektiert; ein mehr oder weniger großer Anteil der reflektierten Strahlung kehrt zurück zur Antenne und wird dort als Signal empfangen und registriert. Da die von den Mikrowellen bestrahlte Fläche über das Gelände hinwegwandert, können die Reflexionssignale von einem schmalen Geländestreifen nacheinander erfasst und als Bildzeile aufgezeichnet werden. Durch die Vorwärtsbewegung des Flugzeugs entsteht dann - wenn die Folge von Senden und Empfangen systematisch wiederholt wird eine vollständige zeilenweise Bildaufzeichnung eines neben dem Flugzeug verlaufenden Geländestreifens. Ein nach diesem Prinzip arbeitendes System wird Seitensicht-Radar (engl. Sidelooking Airborne Radar oder SLAR) genannt.

radar-schema

Schematische Darstellung der Radar-Aufnahme

Die durch Aussendung einer einzelnen Wellenfront und den Empfang der reflektierten Signalfolge entstehende Bildzeile ist als Grauwertprofil dargestellt.

Quelle: Albertz 2001

Solche Systeme (auch als Systeme mit Realer Apertur genannt) sind nur für geringe Flughöhen geeignet, bei denen die Entfernung zwischen Antenne und Gelände nicht zu groß ist.

Um in Flugrichtung eine höhere Auflösung zu erreichen und insbesondere die Aufnahme von Radarbildern auch von Satelliten aus möglich zu machen, müssen Radar-Systeme mit Synthetischer Apertur (engl. Synthetic Aperture oder SAR) eingesetzt werden. Dabei wird nur eine kurze Antenne verwendet, welche die Mikrowellenimpulse in einer breiten Keule mit dem Öffnungswinkel γ abstrahlt. Während des Fluges werden die einzelnen Geländepunkte aber wiederholt bestrahlt . Dementsprechend tragen sie mehrfach zu den empfangenen Reflexionssignalen bei, welche dadurch in komplexer Weise miteinander korreliert werden. Bei der Verarbeitung können die Daten jedoch so behandelt werden, als würden sie von einzelnen Elementen eines sehr langen Antennenarmes stammen. Dadurch lassen sich Bilddaten mit hoher geometrischer Auflösung ableiten. Je weiter die Geländepunkte von der Antenne entfernt sind, desto häufiger werden sie abgebildet und desto länger ist die scheinbare (synthetische) Antenne. Dies führt dazu, dass die Auflösung Δx in der Flugrichtung entfernungsunabhängig wird.

sarprinzip

Zur Wirkungsweise von Radar-Systemen mit synthetischer Apertur

Die nahe gelegenen Geländepunkte werden nur wenige Male während der kurzen Flugstrecke, die entfernt gelegenen während einer längeren Flugstrecke häufiger erfasst (hier: a=2mal, b=4mal, c=6mal).


Quelle: Albertz 2001
 

Die Art und Weise, wie die Erdoberfläche in Radar-Bildern wiedergegeben wird, hängt vom Zusammenwirken vieler Einzelfaktoren ab. Dabei handelt es sich um

Die Wellenlänge bzw. Frequenz der verwendeten Mikrowellenstrahlung wird durch die technischen Einzelheiten des Systems definiert. Üblich, aber ohne einheitliche Festlegung ist die Kennzeichnung einzelner Wellenbereiche durch Buchstaben. Die in der FE am häufigsten verwendeten Frequenzbereiche sind:

Häufige Frequenzbereiche in der Fernerkundung
Ka-Band λ ≈ 0,7 - 1 cm f ≈ 30 - 40 GHz
X-Band λ ≈ 2,4 - 4,5 cm f ≈ 7 - 12 GHz
C-Band λ ≈ 4,5 - 7,5 cm f ≈ 4 - 7 GHz
L-Band λ ≈ 15 - 30 cm f ≈ 1 - 2 GHz
P-Band λ ≈ 60 - 300 cm f ≈ 0,2 - 0,5 GHz

Die Unterschiede sind deshalb wichtig, weil die Wechselwirkung zwischen der Strahlung und den Materialien an der Erdoberfläche in den einzelnen Wellenlängenbereichen sehr unterschiedlich ist.

Von Polarisation spricht man, wenn elektromagnetische Wellen nur in einer ausgezeichneten Richtung schwingen. Die von der Antenne abgestrahlten Mikrowellen können horizontal (H) oder vertikal (V) polarisiert sein. Beim Empfang kann das System wiederum auf horizontale oder vertikale Polarisation eingestellt sein. Dadurch sind vier Kombinationen der Polarisation ausgesandter und empfangener Mikrowellen möglich, nämlich HH, VV, HV und VH. 


Aufnahme-Parameter in der Radartechnik Aufnahme-Parameter in der Radartechnik

Von zwei parallelen Flugbahnen aus kann ein Geländestreifen in stereoskopischer Überdeckung aufgenommen werden. Ein Punkt des Geländes erscheint dann in den Bildern unter verschiedenen Depressionswinkeln.

Quelle: Albertz 2001

Als Depressionswinkel bezeichnet man in der Radartechnik den Winkel zwischen der Horizontebene des Aufnahmesystems und dem Strahl zum beobachteten Objekt. Der auch Einfallswinkel (incidence angle) genannte Winkel wirkt sich unmittelbar auf die Auflösung des Systems quer zur Flugrichtung aus und bestimmt die Bestrahlungsstärke der Geländeoberfläche. Außerdem steht er in engem Zusammenhang mit der Geometrie der Abbildung und der Möglichkeit, Stereobildstreifen aufzunehmen.
Die Oberflächenrauhigkeit hat großen Einfluss auf die Reflexionscharakteristik einer Fläche. Ist sie im Vergleich zur Wellenlänge der Strahlung gering, dann werden die Mikrowellen gespiegelt; zum System kehrt dann praktisch kein Signal zurück, so dass solche Flächen im Radarbild dunkel erscheinen.


Reflexion von Mikrowellen an Oberflächen verschiedener Rauhigkeit Reflexion von Mikrowellen an Oberflächen verschiedener Rauhigkeit

Links: Spiegelnde Reflexion an einer im Verhältnis zur Wellenlänge glatten Fläche (z.B. Sand)
Rechts: Diffuse Reflexion an einer rauhen Fläche (z.B. Felsbrocken).

Quelle: Albertz 2001

Liegt die Rauhigkeit dagegen in der Größenordnung der Wellenlänge, so wirkt die Fläche als diffuser Reflektor. Mischformen der Reflexion sind häufig.
Die jeweilige Oberflächenform führt dazu, dass manche Flächen der schräg einfallenden Mikrowellenstrahlung zugewandt sind und deshalb stärker bestrahlt werden, während die abgewandten Flächen nur geringe Bestrahlung erfahren. Im Bild erscheint deshalb die Geländefläche je nach ihrer Exposition in bezug auf das Radar-System heller oder dunkler. Wenn eine systemabgewandte Fläche steiler geneigt ist als der Depressionswinkel, dann erhält sie überhaupt keine Bestrahlung. Das Radarbild zeigt dann völlig informationslose tiefe Schlagschatten, sog. Radarschatten.

Als Besonderheit der Radar-Aufnahme treten Rückstrahl-Effekte auf, und zwar wenn benachbarte horizontale und vertikale Flächen zum Sensor hin orientiert sind und spiegelnd reflektieren.


Rückstrahl-Effekt bei der Aufnahme von Radarbildern Rückstrahl-Effekt bei der Aufnahme von Radarbildern

Durch zweimalige Spiegelung wird die Mikrowellenstrahlung genau in Richtung auf den Sensor reflektiert. Im Bild entsteht ein heller, überstrahlter Fleck.

Quelle: Albertz 2001

Von großem Einfluss auf die Ausbreitung der Mikrowellen und damit auf das Reflexionsvermögen sind die elektrischen Eigenschaften der Materialien an der Erdoberfläche. Besonders starke Reflexion tritt an metallischen Strukturen (z.B. Zäune, Masten von Hochspannungsleitungen u.ä.) auf. Andere Materialien mit hoher Dielektrizitätskonstante (z.B. feuchte Böden) reflektieren stark, und die Strahlung dringt nur wenig in das Material ein. Mit abnehmender Dielektrizitätskonstante (z.B. mit abnehmender Bodenfeuchte) wird auch das Reflexionsvermögen geringer, die Eindringtiefe nimmt jedoch zu. Das zu beobachtende Reflexionssignal hängt demnach von einer mehr oder weniger dicken Oberflächenschicht ab und mag deshalb auch Informationen zu vermitteln, die z.B. mit optischen Sensoren nicht erfassbar sind.

Die Wechselwirkung zwischen der Mikrowellenstrahlung und den Materialien an der Erdoberfläche ist kompliziert, die Interpretation von mit Radar-Systemen gewonnenen Bildwiedergaben entsprechend schwierig.

Für den Satelliteneinsatz kam von Beginn an nur das SAR-Verfahren in Frage. Experimentellen Charakter hatte noch sein Einsatz im Satelliten SEASAT-1 (1978) und ab 1981 in mehreren Space-Shuttle-Flügen mit dem Shuttle Imaging Radar (SIR). Kontinuität setzte mit den europäischen FE-Satelliten ERS (1991/5), ENVISAT (2002) und dem kanadischen RADARSAT ein. Die ERS (inaktiv) waren mit den SAR-Systemen AMI ausgestattet, ENVISAT (inaktiv) mit der Weiterentwicklung ASAR und RADARSAT trägt ein SAR-System, das in verschiedener Weise betrieben werden kann. Der Einsatz des INSAR während der Shuttle Radar Topography Mission erlaubte die Erstellung eines weltweiten digitalen Geländemodells.

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