Das ENSO-Phänomen

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ENSO-Lexikon

Walker-Zirkulation

Sir Gilbert Walker
Sir Gilbert Walker1868-1958

Von dem norwegisch-amerikanischen Meteorologen Jacob Bjerkness (links) nach dem Briten Sir Gilbert Walker (rechts) geprägte Bezeichnung für eine zonale Windzirkulationszelle über dem äquatorialen Pazifik. Diese Zirkulation wird durch Konvektion im äquatorialen Westpazifik angetrieben, der Region der Erde mit den höchsten Meeresoberflächentemperaturen.

Unter neutralen (nicht El Niño-) Bedingungen sinkt Luft über den kühlen Gewässern des östlichen Pazifiks ab (randtropisches Hoch), strömt als Teil des Südost-Passats dem Druckgefälle folgend nach Westen (Zonalzirkulation). Nach Erwärmung und Wasseraufnahme im Gebiet tiefen Druckes über dem westpazifischen Warmwasserkörper steigt die Luft auf, regnet ab und kehrt in der oberen Troposphäre teilweise nach Osten zurück (Antipassat). Diese Walker-Zelle ist somit der klassischen Meridional-Zirkulation zwischen den dynamischen Suptropenhochs und der äquatorialen Tiefdruckrinne, der sogenannten Hadley-Zelle, überlagert.

Im Unterschied zu äquatorfernen Breiten, in denen die Luftbewegung einer Ablenkung durch die Corioliskraft unterliegt, streben die Luftmassen innerhalb der Walker-Zirkulation unmittelbar vom Gebiet hohen Drucks in das Gebiet tiefen Drucks. Die Erklärung liegt im Fehlen oder der geringen Stärke der Corioliskraft in Äquatornähe. Die für die Walker-Zirkulation notwendige Luftdruckverteilung in den Tropen hängt wesentlich von den Wassertemperaturen der tropischen Zonen ab.

Die Walker-Zirkulation ist eng mit ozeanischen Prozessen verknüpft, und sie ist nicht immer gleich stark. Bei El Niño-Ereignissen kommt sie zum Erliegen oder dreht sich sogar um.

Während des Südwinters ist die Walker-Zirkulation besonders deutlich ausgeprägt, da dann auch das SO-pazifische Subtropenhoch markant entwickelt ist. Aus dem gleichen Grund ist die Walker-Zirkulation auch während La Niña-Ereignissen besonders kräftig.

Die Walker-Zirkulation vermag als Folge einer von Walker schon früher (Walker und Bliss 1932) beschriebenen "Luftdruckschaukel" (Southern Oscillation) ihre Strömungsrichtung zu ändern. Steigt der Luftdruck über Indonesien, so fällt er über dem Ostpazifik und umgekehrt. Walkers Entdeckung der Southern Oscillation war der erste wissenschaftliche Hinweis auf die Verknüpfung von Wetterverhältnissen in weit entfernten Teilen des tropischen Pazifiks.

Bjerknes (1969) erkannte, dass es eine enge Beziehung zwischen El Niño und der Southern Oscillation gibt, und dass sie zwei unterschiedliche Aspekte des gleichen Phänomens (ENSO) sind. Bjerknes stellte die Hypothese auf, dass eine positive Ozean-Atmosphäre-Rückkopplung unter Einbezug der Walker-Zirkulation, eine Ursache von ENSO sei.

Eine initiale positive Anomalie der Meeresoberflächentemperaturen (Sea Surface Temperature, SST) im östlichen Äquatorialpazifik vermindert den Ost-West SST-Gradienten und damit die Stärke der Walkerzirkulation (Gill 1980; Lindzen und Nigam 1987), was zu schwächeren Passaten in Äquatornähe führt. Je schwächer die Passate aber die Ozeanzirkulation antreiben, umso mehr wird die SST-Anomalie verstärkt. Diese positive Ozean-Atmosphäre-Rückkopplung überführt den äquatorialen Pazifik in einen besonders warmen Zustand, d.h. in die Warmphase von ENSO, eben El Niño. In seiner Zeit wusste Bjerknes noch nicht, was den nachfolgenden Umschwung von der Warmphase in die Kaltphase von ENSO bewirkt, welche später als La Niña bezeichnet wurde (Philander 1985).

Das pazifische Zirkulationsrad der Walkerzirkulation ist nur ein Teil eines den ganzen Globus im Bereich des Äquators umspannenden, zonalen Zirkulationssystems mit weiteren Aufstiegszonen über Ostafrika und dem Amazonasgebiet bzw. mit Absinkgebieten im Bereich der kalten Meeresströmungen vor der westafrikanischen Küste und dem westlichen Indischen Ozean.

Walker-Zirkulation - Neutrale Bedingungen

Walker-Zirkulation - Neutrale Bedingungen

Generalisierte Walker-Zirkulation (Dezember-Februar) während ENSO-neutraler Bedingungen. Konvektion, die mit aufsteigenden Zweigen der Walker-Zirkulation verbunden ist, findet sich über dem Maritimen Kontinent, dem nördlichen Südamerika und dem östlichen Afrika.

Dank der Rotation der Erde um ihre Achse wehen die Passatwinde am Äquator unerbittlich von Ost nach West und drücken das Meerwasser auf die Westseite der meisten Ozeanbecken. Das Meerwasser erwärmt sich auf dem gesamten Weg.

Das Endergebnis ist relativ wärmeres Oberflächenwasser im Westen und kühleres Oberflächenwasser im Osten. Über diesem großen Pool warmen Wassers (West Pacific Warm Pool) steigt die Luft auf; über dem kühleren Wasser im Osten trocknet die Luft und sinkt in die Nähe der Oberfläche. Verbreitete Stürme und aufsteigende Luftbewegungen sind mit einem größeren Warmpool verbunden. Temperaturkontraste zwischen Land und Ozean verstärken ebenfalls die Zirkulation.

Walker-Zirkulation - El Niño-Bedingungen

Walker-Zirkulation - El Niño-Bedingungen

Anomalie der generalisierten Walker-Zirkulation (Dezember-Februar) während El Niño-Ereignissen, überlagert mit der Karte der durchschnittlichen Temperaturanomalien der Meeresoberfläche. Die anomale Erwärmung des Ozeans im zentralen und östlichen Pazifik (orange) trägt dazu bei, dass sich ein steigender Zweig der Walker-Zirkulation ostwärts von 180° verschiebt, während sich sinkende Zweige über den maritimen Kontinent und das nördliche Südamerika verlagern.

 

 

Walker-Zirkulation - La Niña-Bedingungen

Walker-Zirkulation - La Niña-Bedingungen

Anomalie der generalisierten Walker-Zirkulation (Dezember-Februar) während La-Niña-Ereignissen, überlagert mit der Karte der durchschnittlichen Anomalien der Meeresoberflächentemperatur. Anomale Ozeanabkühlung (blau-grün) im zentralen und östlichen Pazifik und Erwärmung über dem westlichen Pazifik verstärken den aufsteigenden Zweig der Walker-Zirkulation über dem Maritimen Kontinent und den absinkenden Zweig über dem östlichen Pazifik. Eine verstärkte aufsteigende Bewegung wird auch über dem nördlichen Südamerika beobachtet, während eine anomale absinkende Bewegung über dem östlichen Afrika zu finden ist.

Quelle: NOAA: The Walker Circulation: ENSO's atmospheric buddy

Walker war ursprünglich Mathematiker in Cambridge und in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts schließlich Generaldirektor der meteorologischen Stationen in Indien, wo er die Gesetzmäßigkeiten des Monsuns mit Hilfe globaler Wetterdaten zu ergründen versuchte. Er fand heraus, dass im Falle ungewöhnlich tiefen Luftdruckes über dem Indischen Ozean und dem tropischen Westpazifik der Druck östlich der internationalen Datumsgrenze über dem südöstlichen tropischen Pazifik hoch war. Diese Situation entsprach Phasen mit guten Monsunniederschlägen in Indien. Bei der Umkehr dieser Druckverhältnisse kam es zu Niederschlagsdefiziten in Indien, wie auch in Australien und der SO-asiatischen Inselwelt.
Walker musste leider erfahren, dass die Variationen der SO den Variationen im Niederschlagsmuster des indischen Sommermonsuns hinterherhinkten und so als Vorhersage für dessen Regenintensität ausfielen.
Walker entdeckte auch die Korrelation zwischen low-index-Phase der SO und milden Wintern sowie Trockenheit in Teilen des südlichen Afrika.
Walkers Aussagen wurden lange mit Skepsis begegnet, insbesondere da er keine physikalische Erklärung für die weltweiten Zusammenhänge bieten konnte.

Schema der tropischen Zirkulationsmuster

trop_moisture_circulation Quelle: MetEd / UCAR (Zugang über kostenfreie Registrierung)

Die tropische Zirkulation ergibt sich aus symmetrischen und nicht-symmetrischen Komponenten diabatischer Erwärmung über dem Äquator in Gestalt der Hadley- und der Walker-Zirkulation. Die schematische Darstellung wurde mit Hilfe von Daten über die mittleren Niederschläge aus dem Global Precipitation Climatology Project for 1979-2008 erstellt.

Ein Ergebnis der nicht-symmetrischen Erwärmung ist die Ausprägung der Hadley-Zelle im Juli (blaue Pfeile), die einen aufsteigenden Ast über dem nordhemisphärischen Wärmeüberschussgebiet besitzt und einen absinkenden Ast über der kühleren südhemisphärischen Region. Ein Beispiel für den Effekt von symmetrischer Erwärmung ist der pazifische Zweig der Walker-Zirkulation, eine O-W-Zirkulation, deren aufsteigender Abschnitt auf die überschüssige Wärme im Westpazifik zurückzuführen ist (hellbraune Pfeile). Die größte der entlang des Äquators ausgerichteten Zellen erstreckt sich über dem Pazifik und wird zu Ehren von Sir Gilbert Walker als „Walker-Zirkulation“ bezeichnet.

Die vorherrschende Variabilität der Walker-Zirkulation ist die El Niño-Southern Oscillation (ENSO), ein gekoppeltes Ozean-Atmosphäre-Phänomen mit einem Zyklus von 2-7 Jahren. Während der normalen Walker-Zirkulation kommt es zu kaltem Upwelling im Osten und zu warmen SST im Westen. Während eines El Niño wird der Ost- und der Zentralpazifik anomal warm und der Westpazifik anomal kühler, und die atmosphärischen Zirkulationsvorgänge, die Southern Oscillation, verlagern sich als Reaktion auf die Erwärmung der Meeresoberfläche. Die Störung der Walker-Zirkulation verursacht weltweit bedeutende Verlagerungen der Atmosphärenzirkulation, der Niederschlagsmuster und des jahreszeitlichen Klimas. Das kalte Extrem von ENSO wird La Niña genannt.

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