Das ENSO-Phänomen

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ENSO im Überblick

Einleitung

Kernraum unserer anfänglichen Betrachtungen zu ENSO ist der tropische Pazifik. Im durchschnittlichen Zustand besteht im tropischen Pazifik ein deutliches Gefälle der Meeresoberflächentemperatur (SST) entlang des Äquators: Der Ostpazifik ist mit etwa 20 °C relativ kalt, im Westpazifik misst man recht hohe Temperaturen bis zu 30 °C (s. Abb.). Diese Differenz spiegelt sich im Klimageschehen beiderseits des äquatorialen Pazifiks wider. Im Westen steigt die Luft über dem sehr warmen Wasser auf, was starke Wolkenbildung und ergiebige Niederschläge auslöst, denen die tropischen Regenwälder Indonesiens ihre Existenz verdanken. Auf der anderen Seite, über dem kalten östlichen Pazifik, sinken großräumig Luftmassen ab und schaffen trockene Bedingungen – Voraussetzung für die küstennahen Wüsten des westlichen Südamerikas (s. Neutralzustand).

Die Meeresoberflächentemperaturen (°C) des tropischen Pazifik im Dezember 1996

Die Meeresoberflächentemperaturen (°C) des tropischen Pazifik im Dezember 1996

Die Grafik veranschaulicht die wichtigsten Punkte während einer durchschnittlichen Sitation des tropischen Pazifiks bei neutralen Bedingungen. Im Westpazifik befindet sich ein Warmwasserkörper, der bis in über 150 m Tiefe reicht. Warmes Wasser reicht in der Westhälfte des Pazifiks bis zu ca. 15° N/S. Im Ostpazifik befindet sich deutlich kälteres Wasser mit einer ausgeprägten Kaltwasserzunge entlang des Äquators. Der Warmwasserkörper pendelt mit dem Sonnenstand über den Äquator, aber die Verteilungsmuster der SST werden durch Winde beeinflusst.

Quelle: Latif 2006

Der äquatoriale Pazifik ist aber auch eine der Regionen des Weltozeans, die durch eine relativ starke Variabilität der Meeresoberflächentemperatur gekennzeichnet ist. Dabei treten im äquatorialen Ostpazifik anomal warme Bedingungen und alternierend anomal kalte Phasen auf, die beide das Klima weit über den äquatorialen Pazifik hinaus beeinflussen.

Der Begriff "El Niño / Southern Oscillation", kurz ENSO, bezeichnet ein gekoppeltes Zirkulationssystem von Ozean und Atmosphäre im Bereich des tropischen Pazifiks. El Niño steht dabei für die ozeanischen Zusammenhänge, während Southern Oscillation (Südliche Oszillation) sich auf die atmosphärischen Zusammenhänge bezieht.

Die Existenz des ENSO-Phänomens hängt ab von den Ost-West-Variationen der Meeresoberflächentemperaturen im tropischen Pazifik und den engen Verbindungen zu den unterschiedlichen Luftdrücken auf Meereshöhe und damit von den Oberflächenwinden in den Tropen, die ihrerseits die wichtigsten Niederschlagsgebiete bestimmen. Diese Veränderlichkeit der atmosphärischen und ozeanischen Zustände findet seinen Ausdruck darin, dass ENSO drei unterschiedliche Phasen besitzt, die Warmphase El Niño, die Kaltphase La Niña und die Neutralphase, sie werden weiter unten vorgestellt.

Die Temperatur der Meeresoberfläche wird an die darüber liegende Atmosphäre weitergegeben, und da warme Luft weniger dicht ist, steigt sie auf, wohingegen kühlere Luft absinkt. Wenn Luft in Bereiche aufsteigt, wo die Luft dünner ist, dehnt sie sich aus. Dies bewirkt eine Abkühlung, was wiederum zur Kondensation von Luftfeuchte führt und letzlich zu Regen. Niedriger Luftdruck entsteht über warmem Wasser, während höherer Druck sich über kühleren Gebieten bildet. Die mit Feuchtigkeit beladenen Winde wehen in das Gebiet mit tieferem Druck, wo die Luft konvergiert und aufsteigt, was zu schweren Niederschlägen führt. Der Regen fällt aus konvektiven Wolkensystemen, oft mit Gewittern und möglicherweise innerhalb tropischer Stürme. Von besonderer Bedeutung sind die Intertropische Konvergenzzone (ITCZ) und die Südpazifische Konvergenzzone (SPCZ), die durch die äquatoriale Trockenzone getrennt sind. Diese atmosphärischen Merkmale spielen eine Schlüsselrolle bei ENSO, da sich ihr Charakter und ihre Lage ändert, wenn sich die Meeresoberflächentemperaturen ändern.

Der Wärmegehalt des oberen Ozeans hängt von der Ausprägung der Thermokline ab, dem Bereich des Ozeans, der mit einem deutlichen Temperaturgradienten die gut durchmischten Oberflächenschichten vom kühleren Tiefenwasser trennt. Gewöhnlich besitzt die Thermokline im tropischen Westpazifik eine tiefe Lage (ca. 150 m) und der Meeresspiegel ist hoch, da die östlichen Passatwinde die Wassermassen hier auftürmen. Im äquatorialen Ostpazifik ist die Thermokline näher der Oberfläche (ca. 50 m) und der Meeressspiegel ist relativ niedrig. In der Folge steigt die Oberfläche des Pazifiks entlang des Äquators um etwa 60 cm von Ost nach West (s. Abb.).

Obwohl man bei den El Niños und La Niñas oft von 'Ereignissen' spricht, die etwa ein Jahr andauern, ist festzuhalten, dass ENSO einen oszillatorischen Charakter besitzt. Der Ozean ist eine Feuchtigkeitsquelle für die Atmosphäre und seine riesige Wärmekapazität wirkt als Schwungrad, welches das System Ozean-Atmosphäre mit Hilfe seines Gedächtnisses an vergangene Zustände antreibt. Dies führt zu im Wesentlichen sich selbsterhaltenden Abläufen, bei denen sich der Ozean nie im Gleichgewicht mit der Atmosphäre befindet. Die Masse warmen Wassers in den Tropen baut sich vor einem El Niño auf und wird während eines El Niño wieder abgebaut. Während der Kaltphase (La Niña) mit ihrem relativ klaren Himmel erwärmt die Sonnenstrahlung den tropischen Pazifik, die Wärme wird mit Hilfe von Strömungen umverteilt, wobei der größte Teil in dem tiefen westpazifischen Warmwasserkörper gespeichert wird. Während El Niño wird Wärme als Reaktion auf geänderte Strömungsverhältnisse innerhalb des Ozeans aus den Tropen in höhere Breiten abgeführt, und es wird überschüssige Wärme an die Atmosphäre abgegeben, vornehmlich als verstärkte Verdunstung, wobei der Ozean abgekühlt wird.

Zusätzlicher Niederschlag trägt zu einer allgemeinen Erwärmung der globalen Atmosphäre bei, deren Höhepunkt einige Monate nach einem starken El Niño-Ereignis liegt. Man kam daher zu der Überlegung, dass die Zeitskala von ENSO von der Zeit bestimmt wird, die zur Akkumulation von warmem Wasser in den Tropen benötigt wird, um das System wirksam aufzuladen, plus der Zeit für eigentliche Entwicklung des El Niño. Auf diese Weise wird ein wesentlicher Teil des Beginns und der Entwicklung durch die ein- bis zweijährige Vorgeschichte bestimmt. Dies bedeutet auch, dass die künftige Entwicklung für einige Jahreszeiten im Voraus prognostiziert werden kann, sofern keine Störungen von außen auftreten, die Datenlage ausreichend und korrekt ist und die Klimamodelle korrekt arbeiten.

ENSO gilt heute als bedeutendste Ausprägung von Klimavariabilität, die sich im saisonalen bis jahresübergreifenden Zeitmaßstab abspielt. Über seine Einflüsse auf die globale Zirkulation der Atmosphäre beeinflusst ENSO Temperatur- und Niederschlagsmuster, einschließlich von Extremereignissen wie Dürren, Überschwemmungen und tropischen Wirbelstürmen in vielen Gebieten der Erde. Diese Bedingungen haben Auswirkungen auf menschliche Gesellschaften über die Bereiche Landwirtschaft und Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung, Wasserressourcen, Gesundheit, Katastrophen und viele andere.

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Die Extremphasen: Animation des El Niño von 2009 und der darauf folgenden La Niña von 2010

Die Farben rot, orange und weiß markieren Gebiete, in denen die Meeresoberflächenhöhe höher ist als normal. Die Farben cyan, blau und violett stehen für anomal geringere Höhen.

Höhenanomalien der Meeresoberfläche (Sea Surface Height Anomalies, SSHA) sind negative und positive Unterschiede gegenüber den durchschnittlich beobachteten Meereshöhen. Wenn die Meereshöhen vor der Westküste Südamerikas und im zentralen Pazifik längere Zeit erhöht sind - in der Animation orange und rot widergegeben - ist dies ein Indikator für ein El Niño-Ereignis.

Demgegenüber stehen Gebiete vor der Westküste Südamerikas und im zentralen Pazifik mit anhaltend niedrigerem Meeresspiegel für ein La Niña-Ereignis, in der Animation in blau und violett dargestellt.

Zum Start der Animation auf Grafik klicken

Quelle: NASA GSFC

Nicht ohne Grund besteht die Begriffskombination "El Niño / Southern Oscillation" aus spanisch und englisch. Es waren einerseits peruanische Fischer, die beobachteten, dass sich gegen Jahresende ihre sonst kühlen Küstengewässer erwärmten und die Fischbestände zurückgingen bzw. andere, wärmeliebende Arten auftraten. Sie gaben dieser ihnen seit langem bekannten Erscheinung im 19. Jahrhundert die Bezeichnung „El Niño“, span. für „der Junge“ bzw. jahreszeitengemäß „das Christkind“. Die Bezeichnung „Southern Oscillation“ andererseits geht auf den britischen Meteorologen Sir Gilbert Walker zurück. Er beschrieb zu Anfang des 20. Jahrhunderts ein Wechselspiel zwischen dem südostasiatischen Tiefdruckgebiet und dem südostpazifischen Hochdruckgebiet. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erkannten Wissenschaftler die enge Verbindung zwischen El Niño und Southern Oscillation. Unter Einbeziehung aktueller Erkenntnisse entstand die moderne Auffassung von ENSO, bei der vor allem der Bedeutungswandel von El Niño hervorzuheben ist. El Niño bezeichnet nicht mehr die jährliche und meist mäßige Erwärmung der peruanischen Küstengewässer, sondern eine ausgeprägte Erwärmung der Deckschicht des östlichen und zentralen tropischen Pazifik, die im Mittel etwa alle vier Jahre auftritt.

Eine besondere Bedeutung bezieht das ENSO-Phänomen nicht zuletzt daher, dass es über seinen engeren Wirkungsbereich hinaus auch einen großen Einfluss auf das Klima der Außertropen besitzt und dort für Klimaanomalien verantwortlich sein kann (siehe im Anhang Why do we care about El Niño and La Niña?).

Werfen wir zu Beginn der weiteren Betrachtungen nochmals einen Blick auf die Küstengebiete Ecuadors und des nördlichen Peru, jene 'klassische' Region, die primär, aber längst nicht als einzige von ENSO betroffen ist, und betrachten wir dabei einen von vielen Aspekten, den Niederschlag: Über diesem Teil Südamerikas gehören die Niederschläge bei einem starken El Niño-Ereignis zu den dramatischsten Klimaanomalien weltweit. Ausläufer reichen bis weit nach S ins nördliche Chile. Gebiete, die die meiste Zeit als echte Wüsten gelten mit nur geringem oder gar keinem Regenfall, können in weniger als 6 Monaten 1.000 bis 4.000 mm Niederschlag erhalten. Zur Einordnung dieser Zahlen seien die Werte von Frankfurt a.M. erwähnt: Dort fallen etwas über 600 mm pro Jahr im langjährigen Mittel. Dieser Vergleich veranschaulicht einen Teil der Dramatik, die sich bei starken El Niño-Ereignissen ergeben kann.

Niederschlagsabweichungen Piura in %

Niederschlagsabweichungen Piura in %


Zeitreihe mit relativen Abweichungen vom mittleren Niederschlag für die Station Piura (5°12'S, 80°38'W; ca. 50 m NN) in NW-Peru.

Die Angaben zum mittleren Jahresniederschlag schwanken quellenabhängig zwischen ca. 40 mm/a und ca. 90 mm/a.


Quelle: Bendix, A. et al. 2002

 

Die Bedeutung von ENSO in Kürze

Der zeitliche Abstand zu den dramatischen Ereignissen während der El Niño-Phase 1997/98 erlaubt seit vielen Jahren eine unaufgeregte Beschäftigung mit dem Thema und dies in dem Bewußtsein, daß die Kurve der Aktualität und damit des (öffentlichen) Interesses mit Sicherheit wieder nach oben zeigen wird. Denn diese Kurve verläuft parallel zu der Oszillations-Kurve des ENSO-Phänomens (siehe El Niño Mass Media Index).

Seine immer wiederkehrende öffentliche Beachtung bezieht das ENSO-Phänomen aus der Tatsache, dass es als stärkste natürliche Klimaschwankung im Zeitmaßstab von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren gilt, und dass es über seine Nah- und Fernwirkungen starke Effekte auf das tropische und globale Wettergeschehen, auf Ökosysteme, auf Märkte für bestimmte, meist wetterabhängige Produkte und auf ganze Volkswirtschaften hat, im positiven wie im negativen Sinne. Entscheidungsträger in den Bereichen Wasserwirtschaft, Land- und Fischereiwirtschaft, Energiewirtschaft, Gesundheitswesen, Katastrophenvorsorge und nicht zuletzt in der Versicherungsbranche sind sehr auf ENSO-bezogenene Wetterinformationen angewiesen, insbesondere auch auf Prognosen zur Entwicklung der einzelnen Phasen des ENSO-Zyklus. Insofern ist das Interesse von Wissenschaft und Wirtschaft eher von Konstanz geprägt. Belege dafür sind die weiterhin häufigen Publikationen zu ENSO sowie hochrangig besetzte internationale Konferenzen, z.B. die im Mai 2005 in Guayaquil/Ecuador abgehaltene 1st Alexander von Humboldt International Conference, Leitthema "The El Niño phenomenon and its global impact". Gegenwärtig können Klimaanomalien, die mit ENSO in Zusammenhang stehen etwa sechs Monate im Voraus prognostiziert werden.

"The El Niño–Southern Oscillation (ENSO) cycle, a fluctuation between unusually warm (El Niño) and cold (La Niña) conditions in the tropical Pacific, is the most prominent year-to-year climate variation on Earth."

"Then, the extraordinary 1997–1998 El Niño focused worldwide attention on the ENSO cycle, its global impacts, and its socioeconomic consequences. Spurred by the enormity of this event, by some measures the strongest of the 20th century, interest in ENSO exploded in both the research community and the general public.
ENSO, with its cat’s cradle of interconnected scientific and societal issues, has long been fertile ground for interdisciplinary research."

McPhaden, M. J., Zebiak, S. E., Glantz, M. H. (2006): ENSO as an Integrating Concept in Earth Science

Trotz der intensiven wissenschaftlichen Beschäftigung mit ENSO sind die exakten Mechanismen des ENSO-Systems noch immer unzureichend bekannt, und dementsprechend sind die wahrscheinlich eintretenden Veränderungen von El Niño / La Niña-Episoden bezüglich Häufigkeit und Intensität unter zunehmender Klimaerwärmung durch den anthropogenen Treibhauseffekt nur äußerst schwer vorherzusagen.

Um die langfristige Entwicklung des ENSO-Systems besser prognostizieren zu können, müssen dessen natürliche Dynamik und die Steuerungsmechanismen vollständig verstanden werden. Detaillierte Rekonstruktionen der ENSO-Aktivität über den Zeitraum hinaus, für den instrumentelle Messungen vorliegen, können wichtige Daten über die maximale zeitliche und räumliche Variabilität des Systems liefern. Darüber hinaus bieten Rekonstruktionen, die Zeiträume von Jahrhunderten bis Jahrtausenden umfassen, die Möglichkeit, den potentiellen Einfluss sich ändernder Strahlungsverhältnisse (z.B. Insolation oder Milanković-Zyklen) zu evaluieren. Erst die genaue Dokumentation der Ursachen und Folgen der natürlichen Dynamik des ENSO-Systems wird die Vorhersagbarkeit von Extremereignissen im Rahmen von ENSO verbessern und akkurate Langzeitsimulationen ermöglichen.

What is the El Niño–Southern Oscillation (ENSO) in a nutshell?

ENSO ist eines der wichtigsten Klimaphänomene auf der Erde, da es die globale atmosphärische Zirkulation verändern kann, die wiederum Temperatur und Niederschlag auf der ganzen Welt beeinflusst. Wir konzentrieren uns auch deshalb auf ENSO, weil wir sein Eintreffen oft einige Jahreszeiten vor seinen stärksten Auswirkungen auf Wetter und Klima vorhersagen können.

Obwohl ENSO ein eigenständiges Klimaphänomen ist, gibt es drei Zustände oder Phasen, die es annehmen kann. Die beiden entgegengesetzten Phasen, "El Niño" und "La Niña", erfordern bestimmte Veränderungen sowohl im Ozean als auch in der Atmosphäre, da ENSO ein gekoppeltes Klimaphänomen ist. Der Zustand "Neutral" liegt in der Mitte des Ganzen.

El Niño: Eine Erwärmung der Meeresoberfläche oder überdurchschnittlich hohe Meeresoberflächentemperaturen (SST) im zentralen und östlichen tropischen Pazifik. Über Indonesien nehmen die Niederschläge tendenziell ab, während sie über dem tropischen Pazifik zunehmen. Die schwachen Oberflächenwinde, die normalerweise von Osten nach Westen entlang des Äquators wehen ("Ostwinde"), schwächen sich ab oder beginnen in einigen Fällen in die andere Richtung zu wehen (von Westen nach Osten oder "Westwinde").

La Niña: Eine Abkühlung der Meeresoberfläche oder unterdurchschnittliche Meeresoberflächentemperaturen (SST) im zentralen und östlichen tropischen Pazifik. Über Indonesien nehmen die Niederschläge tendenziell zu, während sie über dem zentralen tropischen Pazifik abnehmen. Die normalen Ostwinde entlang des Äquators werden noch stärker.

Neutral: Weder El Niño noch La Niña. Oft liegen die SST-Werte im tropischen Pazifik im Allgemeinen nahe am Durchschnitt. Es gibt jedoch einige Fälle, in denen der Ozean so aussieht, als befände er sich in einem El Niño oder La Niña-Zustand, aber die Atmosphäre nicht mitspielt (oder umgekehrt).

Die "Südliche Oszillation" ist die begleitende atmosphärische Komponente, die mit der Veränderung der Meerestemperatur gekoppelt ist: El Niño geht mit hohem Oberflächendruck im tropischen Westpazifik einher und La Niña mit niedrigem Oberflächendruck dort.

Anomalien der Meeresoberflächentemperaturen im Pazifischen Ozean während einer starken La Niña

Anomalien der Meeresoberflächentemperaturen im Pazifischen Ozean während einer starken La Niña (oben, Dezember 1988)
und eines starken El Niño (unten, Dezember 1997). Maps by NOAA Climate.gov, based on data provided by NOAA View.

Sir Gilbert Walker entdeckte die "Südliche Oszillation", d. h. großräumige Veränderungen des Luftdrucks auf Meereshöhe in Indonesien und im tropischen Pazifik. Er realisierte jedoch nicht, dass dies mit Veränderungen im Pazifischen Ozean oder El Niño zusammenhing. Erst in den späten 1960er Jahren erkannten Jacob Bjerknes und andere, dass die Veränderungen im Ozean und in der Atmosphäre zusammenhängen, und der zusammengesetzte Begriff "ENSO" wurde geboren. Erst in den 1980er Jahren oder später erlangten die Begriffe "La Niña" und "Neutral" an Bedeutung.

Die Mechanismen, die diese Oszillation verursachen, werden noch untersucht. Die extremen Schwingungen dieses Klimamusters führen in vielen Regionen der Welt zu extremen Wetterereignissen (wie Überschwemmungen und Dürren). Am stärksten betroffen sind Entwicklungsländer, die von Landwirtschaft und Fischerei abhängig sind, insbesondere diejenigen, die an den Pazifischen Ozean grenzen.

Vielleicht ist Ihnen inzwischen aufgefallen, dass "ENSO" zwar ein nettes Akronym für alle drei Zustände ist, aber das Wort "La Niña" in diesem Akronym nicht vorkommt. Warum ist das so? Nun, das ist ein Zufall der Geschichte. Bevor La Niña überhaupt bekannt wurde, bemerkten südamerikanische Fischer die Erwärmung der Küstengewässer, die in regelmäßigen Abständen um Weihnachten herum auftrat. In Verbindung mit dem religiösen Feiertag bezeichneten sie diese Erwärmung als "El Niño" (niño ist das spanische Wort für einen Jungen).

(nach: What is the El Niño–Southern Oscillation (ENSO) in a nutshell?; Michelle l’Heureux, 5.5.2014, Update 27.9.2021)

Wenn Sie an dieser Stelle abkürzen oder das Beschriebene vertiefen möchten, dann klicken Sie einfach auf die entsprechenden Stichworte im ENSO-Lexikon und kehren anschließend zurück.

Jüngere ENSO-Ereignisse

In den Jahren 1997/98 war ein außergewöhnlich starkes El Niño-Ereignis aufgetreten, verbunden mit anomal warmem Oberflächenwasser und Starkregen im östlichen Teil des äquatorialen Pazifik und entlang der Küsten von Ecuador und Peru. Dieser extreme El Niño von 1997/98 ist längst aus den Schlagzeilen verschwunden, die große öffentliche Aufmerksamkeit, die das Phänomen damals erfuhr, ist längst Vergangenheit. Damals sorgten Stoßstangenaufkleber mit der Aufschrift "Don't blame me, blame El Niño", die man z.B. in den USA sehen konnte, für Schmunzeln. Aktienhändler pflegten entschuldigend "El Niño" zu murmeln, wenn die Märkte aus dem Ruder liefen. Aber in den betroffenen Regionen sind seine Auswirkungen wie Überschwemmungen in Peru, tropische Wirbelstürme im pazifischen Teil Mexikos, tropical haze über SO-Asien aus dieser Zeit nicht vergessen. Und für Wissenschaftler dient das Ereignis von 1997/98 wegen seiner Stärke als Referenz, insbesondere für das jüngste Starkereignis, den El Niño von 2015/16. (s.a. ESSIC, NASA)

El Niños kalte Schwester La Niña als zweite markante Ausprägung des ENSO genannten ozeanisch-atmosphärischen Phänomens über dem Pazifik hatte nach dem Extremereignis von 1997/98 - wie so häufig - die Aufmerksamkeitslücke gefüllt. Die Wissenschaftler wandten sich ihr zu oder sie werteten Beobachtungsergebnisse der El Niño-Phase aus, verglichen die Richtigkeit ihrer Vorhersagen und arbeiteten an der Verbesserung von Prognose-Modellen.

Vergleich der El Niños von 1997 und 2015 (Anomalien der Meeresspiegel

Vergleich der El Niños von 1997 und 2015 (Anomalien der Meeresspiegel)

Die beiden Darstellungen sind Karten der Meeresspiegelanomalien in cm für die Monate Dezember 1997 und 2015 während der beiden extremen El Niño-Ereignisse.

Altimetrie hilft beim Monitoring und bei der Vorhersage solcher Ereignisse. Beginnend mit der Satellitenmission TOPEX/Poseidon besteht seit 1992 eine kontinuierliche Reihe von Altimeterdaten bis zum aktuellen JASON-3. Die Datenkontinuität zu Jason-3 wiederum wird durch die Mission Jason-CS/Sentinel-6 (Continuity Service) gewährleistet, deren Start 2020 erfolgte.

Legende:

Quelle: CNES/EU Copernicus Marine Service

Inzwischen sind weitere ENSO-Zyklen abgelaufen. Seit dem El Niño von 1997/98 traten El Niño-Ereignisse auf in den Jahren 2002-03, 2004-05, 2006-07, 2009-10, 2015-16 und 2019, sowie drei bedeutende La Niña-Ereignisse in den Jahren 1998-2001, 2007-09 und 2010-12, 2017-18.

Etwa seit Mitte 2015 hatten die Medien verstärkt über die positiven und negativen Auswirkungen des El Niño 2015/16 berichtet, seien es einerseits die starken Überschwemmungen in Südostindien und Paraguay, die Dürren in Äthiopien und im südlichen Afrika oder andererseits die milden Wintertemperaturen in großen Teilen der USA und die reduzierte Hurrikantätigkeit über dem Atlantik, um nur einige der sogenannten Telekonnektionen von El Niño zu nennen.

Das australische Bureau of Meteorology ging wie die NOAA davon aus, dass der starke El Niño 2015/16 im Dezember 2015 seinen Höhepunkt erreicht hatte und sich danach allmählich abbaute. Seit etwa Mai 2016 war die starke El Niño-Phase von 2015/16 schließlich in eine Neutral-Phase übergegangen, sie war das stärkste Warmereignis seit dem El Niño von 1997/98.

Entladungsphase des  El Niño 2016

Entladungsphase des El Niño 2016

Dargestellt sind Temperaturanomalien (Abweichungen von Normalwerten), die man für die oberen 300 m des Pazifiks gemittelt hat.
Rote Farbtöne zeigen Gebiete an, in denen die Temperaturen über dem Durchschnitt liegen, blaue Farbtöne markieren solche mit Temperaturen unter dem Durchschnitt.
Mit dem Reifeprozess von El Niño bewegen sich die warmen Wassermassen in den oberen Schichten des äquatorialen Pazifiks weg vom Äquator in äquatorfernere Gebiete. Diesen Vorgang nennt man die Entladungsphase („discharging“ period).
Weshalb tritt diese Entladung auf? Während El Niño ist der Meeresspiegel im östlichen und zentralen Pazifik überdurchschnittlich hoch, und die Winde kommen anomal aus Westen. Wenn die oberflächennahen Strömungen Wasser vom Äquator wegbewegen, strömt kühleres Wasser aus tieferen Bereichen des Ozeans nach oben, so dass es sich nun in Oberflächennähe befindet.

Zu größerer Darstellung auf Grafik klicken

Quelle: NOAA ENSO Blog (Juni 2016)

Eine temporäre Sonderentwicklung zeigte sich im Frühjahr 2017 im Ostpazifik vor der Küste Südamerikas, als dort außergewöhnlich hohe SST anzutreffen waren. Diese Bedingungen führten zu den katastrophalen Niederschlägen in Peru (Ende März 2017), vermutlich auch zu denen in Kolumbien (Anfang April 2017). Peruanische Meteorologen prägten für diese außergewöhnliche, aber in der Region nicht beispiellose Situation den Begriff El Niño costero (Küsten-El Niño).

Anfang November 2017 stellten sich leichte La Niña-Bedingungen ein, die sich über den Nordwinter hielten (NOAA 22.1.2018). Kriterienbedingt verzögert erkennt auch das BOM eine schwache La Niña (BOM 16.1.2018). Da dies die zweite von zwei aufeinanderfolgenden und nur von einer Neutralphase unterbrochenen La Niña-Phasen ist, spricht man von einer double-dip La Niña.

Der kühlende oder zumindest moderate Einfluss von La Niña- und Neutralbedingungen hat übrigens 2017 nicht ausgereicht, um den weiteren Anstieg der globalen Temperaturen zu verhindern: "... 2017 - the warmest year on record not influenced by warming El Niño conditions in the tropical Pacific". (ECMWF 4.1.2018)

Weitere Informationen:

Aktuelle Entwicklungen

Neutrale Bedingungen dauerten den Nordsommer 2020 hindurch an. Seit September 2020 hatte sich eine La Niña eingestellt, die bis März 2021 bestand. (BOM, 19.1.2021)

Danach hatte sich eine Übergangsphase entwickelt hin zum Neutralzustand, im April konstatierte das BOM (13.4.2021) das vorübergehende Ende von La Niña.

ENSO-neutral bedeutet übrigens nicht, dass das Wetter z.B. in Nordamerika durchschnittliche Werte hat - es bedeutet nur, dass andere, ENSO-fremde Kräfte das Wetter ohne die relativ vorhersehbaren Auswirkungen von ENSO bestimmen. Einige dieser anderen Kräfte sind die Arktische Oszillation, die Madden-Julian Oszillation und der Indian Ocean Dipole (IOD).

Diese Wechsel zwischen neutralen und La Niña-Bedingungen dauerten bis ins Frühjahr 2023 an. Dies bedeutet, dass es in dieser Zeit zu einem (sehr seltenen) Triple (three-peat / triple dip) für La Niña kam.

Im März 2023 verabschiedete sich La Niña endgültig (ENSO Blog 9.3.2023). Nach einer kurzen Übergangsphase stellten sich Ende Mai 2023 El Niño-Bedingungen ein. Seither sind die äquatorialen Meeresoberflächentemperaturen (SST) im zentralen und östlichen Pazifik über dem Durchschnitt. In der Atmosphäre entsprechen die Wolken-, Wind- und Druckmuster den El Niño-Bedingungen. Klimamodellvorhersagen deuten darauf hin, dass eine weitere Erwärmung des zentralen bis östlichen Pazifiks wahrscheinlich ist.

Es wird erwartet, dass El Niño über die nächsten Monate bei allmählicher Abschwächung noch anhält, wobei neutrale ENSO-Bedingungen im Zeitraum April-Juni 2024 wahrscheinlich werden (73 % Wahrscheinlichkeit). (ENSO Blog 11.01.2024 / BOM 23.01.2024)

Nach dem Ansicht des CPC hat der aktuelle El Niño das Potential sich zu einem der 5 stärksten Ereignisse seit Beginn der Aufzeichnungen zu entwickeln. (CPC 14.12.2023)

Wöchentliche Muster der SST im tropischen Pazifik

Wöchentliche Muster der Meeresoberflächentemperaturen im tropischen Pazifik

Animation von Karten der Meeresoberflächentemperaturen im Pazifischen Ozean im Vergleich zum langfristigen Durchschnitt über Fünf-Tage-Zeiträume von Ende Januar bis Anfang Juni 2023. Die Gewässer in der wichtigsten Überwachungsregion, die von den Wissenschaftlern als "Niño-3.4-Region" bezeichnet wird, sind zu Beginn kühler als der Durchschnitt (blau) und werden allmählich wärmer als der Durchschnitt (rot), wenn La Niña endet und El Niño einsetzt.

Quelle: ENSO Blog 8.6.2023

Das BOM war aufgrund anderer Schwellenwerte zunächst zurückhaltend bei der Einstufung und hatte den ENSO-Ausblick (ENSO Outlook) lediglich auf El Niño ALERT umgestellt.

Das Äquivalent zu El Niño im Indischen Ozean - der Indian Ocean Dipole (IOD) - ist weiterhin positiv. Ein positiver IOD unterdrückt in der Regel die Winter- und Frühlingsniederschläge in weiten Teilen Australiens, und wenn er mit El Niño zusammenfällt, kann er den Trocknungseffekt von El Niño in Australien noch verstärken. (BOM 8.11.2023)

Die jeweils aktuelle Situation findet man auf folgenden Seiten:

Vergangenheit und Gegenwart
Eindrucksvolle Veranschaulichung der Probleme mit El Niño
Offizielle probabilistische ENSO-Prognose

Eindrucksvolle Veranschaulichung der Probleme mit El Niño.

COAPS führte früher auf seiner Webseite eine Sammlung mit zahlreichen weiteren Karikaturen zu El Niño. Eine Auswahl davon finden Sie auf im Anhang.

Siehe auch El Nino Made Me Do It (Psychology today)

Quelle: Newsweek 28.12.98 (R.o.)

Offizielle probabilistische ENSO-Prognose vom 8. Juni 2023

Sie basiert auf einem Konsens von CPC- und IRI-Meteorologen und wird in der ersten Monatshälfte in Verbindung mit der offiziellen CPC/IRI ENSO Diagnostic Discussion aktualisiert. Basis sind Beobachtungs- und Vorhersageinformationen vom Anfang des Monats und vom Vormonat. Sie verwendet neben der Modellvorhersage auch die Beurteilung durch menschliches Fachwissen.

Quelle: CPC/IRI (hier auch aktuelle Prognosen abrufbar)

 

Die drei Zustände des ENSO-Phänomens

Im Zusammenhang mit ENSO werden häufig drei Zustände oder Phasen dieses eng gekoppelten Systems Ozean-Atmosphäre im pazifischen Raum unterschieden:

Diese drei Phasen müssen weder in dieser Reihenfolge auftreten, noch haben sie gleiche Dauer oder Intensität. Insbesondere weisen die individuellen Niños und Niñas eine jeweils sehr unterschiedliche Detailcharakteristik hinsichtlich Entstehung, Verlauf, räumlichem Auftreten und Intensität auf.

Es gibt signifikante Nichtlinearitäten, sowohl was die räumliche Struktur der beiden Extremphasen von ENSO, El Niño und La Niña, anbelangt, als auch in der statistischen Verteilung der Anomalien der Temperatur an der Meeresoberfläche. La Niña-Ereignisse sind nicht schlicht El Niño-Ereignisse mit umgekehrtem Vorzeichen. El Niño-Ereignisse zeigen im Mittel die größten Anomalien der Meeresoberflächentemperatur im äquatorialen Ostpazifik, während La Niña-Ereignisse die Maximalwerte der Anomalien weiter im Westen im zentralen äquatorialen Pazifik erreichen. (Latif 2018)

"[...] Often, we think of El Niño and La Niña as mirror opposites—for example, that the warmer-than-average east-central tropical Pacific conditions during El Niño are exactly matched by the cooler-than-average conditions of La Niña. This mirror-opposites perspective is a pretty good approximation, but it’s not perfect!"

Average November – January sea surface temperature anomalies

Average November – January sea surface temperature anomalies (°C) for the top 10 strongest (top) El Niño and (bottom) La Niña events since 1950 based on the November – January Niño3.4 index. Anomalies are calculated with respect to 30-year base periods updated every 5 years (see here for a description). NOAA Climate.gov figure with ERSSTv5 data obtained from the NOAA Physical Sciences Laboratory.

"Upon closer inspection, we see some subtle but important differences between El Niño and La Niña in terms of their patterns and behavior. First, the sea surface temperature anomalies (difference from the long-term average) during El Niño tend to be centered farther east than for La Niña, especially for the stronger El Niño episodes. Second, the strongest El Niños tend to be stronger than the strongest La Niñas. We can see these differences in the maps above. The warm anomalies in the eastern Pacific for the El Niño composite are between 2.25 and 2.75 degrees Celsius, while the cool anomalies in the east-central Pacific for the La Niña composite top out at 2.25 degrees C."

From: Nat Johnson (2021): Double-dipping - Why does La Niña often occur in consecutive winters?

Um die Geschehnisse während der drei Phasen zu verstehen, muss man sich bewusst machen, dass der äquatoriale Pazifik als gekoppeltes System agiert, da der Zustand des Ozeans und der Atmosphäre voneinander abhängen. Wenn die Bedingungen des Ozeans sich ändern, reagiert die Atmosphäre und umgekehrt. Die Hauptindikatoren dieser Änderungen sind der Luftdruck und die Meerestemperaturen.

Diese positive Rückkopplung zwischen Ozean und Atmosphäre, d. h. zwischen Temperaturgradient und Walker-Zirkulation erklärt das Wachstum und damit die Verstärkung einer anfänglichen Störung. Der Grund für die Phasenumkehr, d.h. für die oszillatorische Natur der Schwankungen der Meeresoberflächentemperatur im äquatorialen Pazifik, also beispielsweise für das Umschwingen von einem El Niño- in einen La Niña-Zustand, liegt in der Wanderung langer ozeanischer Wellen längs des Äquators. Auf sie wird im Kapitel Hypothesen eingegangen.

Neuerdings unterscheiden manche Wissenschaftler sowohl bei El Niño wie auch bei La Niña zwei Varianten. Neben der normalen Variante gibt es eine, die Modoki genannt wird. Modoki ist japanisch und bedeutet so viel wie «ähnlich, aber verschieden». Bei einem El-Niño-Modoki wird eine Erwärmung im zentralen tropischen Pazifik beobachtet und nicht vor der südamerikanischen Küste. Bei La-Niña-Modoki ist es entsprechend der zentrale Ozeanbereich, der sich am meisten abkühlt.

 

Der neutrale Zustand im Ozean-Atmosphäre-System des Pazifik

Die gemäßigten und häufigeren Zustände des Systems Ozean-Atmosphäre im pazifischen Raum werden oft mit dem Attribut "neutral" bezeichnet. Sie sollen damit von den Extremphasen El Niño und La Niña abgehoben werden. Gelegentlich wird auch das Adjektiv "normal" verwendet. Allerdings kann seine Verwendung zu der Annahme verleiten, die Extremphasen seien anomal im Sinne von "nicht dazu gehörig". Die Abweichungen vom durchschnittlichen Zustand des Systems Ozean-Atmospäre über dem tropischen Pazifik sind jedoch ebenso eine Ausprägungsvariante des Systems wie die Neutralphase.

In einer solchen neutralen Situation besteht über dem Pazifik südlich des Äquators eine ungleiche Luftdruckverteilung: Der Luftdruck über dem östlichen Pazifik an der südamerikanischen Küste (80°-110° w.L.) ist relativ hoch. Das dort befindliche dynamische Hochdruckgebiet wird durch die relativ geringen Wassertemperaturen vor der Küste Perus und Nordchiles stabilisiert. Dadurch gilt es als beständigstes Druckgebilde der Erde. Gleichzeitig ist der Luftdruck über den Inselgebieten zwischen Australien und Indochina (110°-150° ö.L.) infolge hoher Wassertemperaturen (ca. 30 °C) relativ gering. Der westliche Pazifik beheimatet nämlich den größten Warmwasserkörper der Erde und ist eine überreiche Feuchtigkeitsquelle, die den aufsteigenden Ast der Walker-Zirkulation (s.u.) antreibt.

Den Druckunterschied zwischen Ost- und Westpazifik suchen Passatwinde aus östlichen Richtungen auszugleichen. Ihre Kraft ist stärker über dem Ostpazifik, hingegen schwächer über dem Westpazifik. Über der südostasiatischen Inselwelt steigen die nunmehr erwärmten und weniger dichten Luftmassen auf (Konvektion). Hier treffen die Wirkungen der Innertropischen Konvergenzzone, der Südpazifischen Konvergenzzone und von Westwinden aus dem indo-pazifischen Archipel zusammen. Diese Kombination macht die Region zu dem größten Gebiet dauerhafter Bewölkung in den Tropen.

In höheren Schichten der Atmosphäre weht der Wind nun in entgegengesetzte Richtung, also nach Osten mit einem absinkenden Abschnitt über dem Ostpazifik. Der dortige hohe Bodendruck wird dadurch weiter verstärkt. Insgesamt entsteht eine Zonalzirkulation, die sogenannte "Walker-Zirkulation". Sie ist der klassischen Meridional-Zirkulation (Hadley-Zelle) zwischen den dynamischen Subtropenhochs und der Innertropischen Konvergenzzone überlagert.

 

Walker-Zirkulation beim neutralen Zustand des Systems Ozean-Atmosphäre

Walker-Zirkulation
beim neutralen Zustand
des Systems Ozean-Atmosphäre



Stark überhöht und vereinfacht!


Animation von Nicolas Marschall
nach einer Vorlage des DLR

An der Westküste Südamerikas werden die oberflächennahen Ozeanschichten meerwärts getrieben. Ursache ist der Passat, der teils aus südöstlicher Richtung weht (ablandig), meist aber S-N gerichtet ist und dann über die sogenannte Ekman-Spirale das Oberflächenwasser nach W drängt. Durch den meerwärtigen Ekmantransport erfährt die Meeresoberfläche vor der Küste eine tiefere Lage. Als Folge herrscht unter der höheren (seewärtigen) Wassersäule in gleicher Tiefe ein höherer Druck als unter der niedrigeren (küstennahen) Wassersäule. Somit besteht ein Druckgefälle zur Küste hin. Zum Ausgleich strömt dort kaltes, nährstoffreiches Tiefenwasser nach oben ("Upwelling"). Die Thermokline liegt in diesen Auftriebsgebieten in einer Tiefe von weniger als 50 m. Der kalte Charakter des küstennahen Wassers kann in geringem Maße noch verstärkt werden durch den aus antarktischen Gewässern stammenden Humboldt-/Perustrom. Der sich dann aus dem Humboldtstrom entwickelnde, äquatorparallel nach Westen setzende Südäquatorialstrom weist in seinem ersten Abschnitt verhältnismäßig niedrige Oberflächentemperaturen auf. Letztlich entsteht eine westwärts gerichtete Kaltwasserzunge, die bis zur Datumsgrenze (vgl. Atlas) reicht. Auch in diesem Bereich ist Auftrieb von kaltem Wasser ursächlich für die in diesen Breiten anomal kühlen Wassertemperaturen.

Die kalten Wassertemperaturen wirken einem Aufsteigen von Luftmassen entgegen, welches nötig wäre um Niederschläge auszulösen. Die generell absinkenden Luftmassen der Passatströmung unterstützen diese Vorbedingung zur Niederschlagsarmut. Auch über Land hindern sie die tagsüber aufgewärmte Luft daran, hoch aufzusteigen. Die konvektive Abkühlung dieser unteren Luftschicht reicht höchstens aus zu Kondensation und Nebelbildung. Die Grenzschicht der beiden Luftmassen stellt eine ausgeprägte Passatinversion dar. Extreme Küsten- und Binnenwüsten (Atacama) sind das Resultat dieser Verhältnisse. Fast 3.500 km lang erstreckt sich dieses Wüstenband die Westküste Südamerikas entlang (5-30° S). Es wird nur gelegentlich durch Flüsse aus den Anden durchbrochen, die die Anlage von Flussoasen erlauben.

Auf dem Weg nach Asien erwärmt sich das Oberflächenwasser (Südäquatorialstrom), und die Oberflächentemperatur (SST) beträgt in der indonesischen Inselwelt nach einer mehr als 10.000 km langen Reise in der Äquatorzone schließlich über 29 °C (ca. 9 °C mehr als vor der Küste Südamerikas).. Es entsteht der westpazifische Warmwasserkörper, der von der Datumsgrenze bis zum indo-pazifischen Archipel sowie maximal von 10°N bis 20°S reicht und etwa durch die 29 °C-Isotherme abgegrenzt werden kann. Auftrieb kann wegen des tiefreichenden Warmwasserkörpers kein Kaltwasser an die Oberfläche befördern, sondern nur warmes Wasser.

Die Folge der hohen Wassertemperaturen sind hohe Verdunstungsraten, mit der weiteren Konsequenz der Freisetzung riesiger Mengen latenter Wärme in der südostasiatischen Inselwelt. Dies nährt die starken Monsunniederschläge in Südostasien und Nordaustralien. Das auf gleicher Breite wie Nordperu gelegene Neuguinea ist so durch ausgesprochene Sommerregen gekennzeichnet und besitzt einen mittleren Jahresniederschlag von über 3.000 mm. Der Westpazifik vor der indonesischen Inselbrücke gilt als Gebiet der Erde mit den höchsten atmosphärischen Energieumsätzen.

Gleichzeitig liegt der Meeresspiegel um Indonesien als Folge der östlichen Winde um mehr als einen halben Meter (!) höher als vor der Küste von Ecuador. Unter der Meeresoberfläche setzt sich dieser Stau noch deutlicher fort. Die Thermokline wird hier auf 200 m Tiefe hinuntergedrückt.

Der höhere Wasserspiegel im Westpazifik erklärt sich vor allem aus der geringeren Dichte des warmen Wassers, ferner durch den Wind, der das Wasser im Westen hält und so für einen mächtigen Warmwasserkörper mit einer tief liegenden Thermokline sorgt. Unbedeutend ist die Rolle der wegen des starken Niederschlags geringeren Salinität. Die sich daraus ergebende geringere Dichte wirkt sich höchstens auf die oberen paar Meter aus.

Um den Zustrom des Oberflächenwassers und den entstehenden Druckgradienten auszugleichen, besteht in 100 m Tiefe ein ostwärtiger Strom entlang des Äquators.

Ozeanische und atmosphärische Zirkulation in einem Neutraljahr

Ozeanische und atmosphärische Zirkulation in einem Neutraljahr


Legende zu Endlicher-Schaubild

 

Quelle:
Endlicher, W. u.a. (1989): Zum El Niño-Southern Oscillation-Ereignis 1983 und seinen Auswirkungen im peruanischen Küstengebiet. In: Mitteilungen Fränkische Geographische Gesellschaft Nr. 35/36, S. 175-201

Im Südwinter ist das Subtropenhoch über dem Südostpazifik besonders stark. Als Folge sind auch der SO-Passat, der Kaltwasserauftrieb vor Nordchile und Peru, die erwähnte Kaltwasserzunge, der Luftdruckgegensatz zwischen Ost- und Westpazifik und damit auch die Walker-Zelle besonders intensiv ausgeprägt. Gleichzeitig wird die Hadley-Zirkulation durch die niedrigen Wassertemperaturen des Südäquatorialstroms geschwächt.

Die nun in diesem Gebiet hoch liegende Thermokline ermöglicht es dem kalten und an Nährstoffen reichen Tiefenwasserkörper bis nahe an die Oberfläche zu gelangen, bzw. über Auftriebsvorgänge die lichtdurchflutete Schicht (euphotische Zone) zu erreichen. Die Nährstoffzufuhr ermöglicht hier über die Photosynthese eine umfangreiche Primärproduktion.

Es gehört aber gleichfalls zum jährlichen und 'normalen' Ablauf der ozeanischen und atmosphärischen Verhältnisse in diesem Raum, dass im südhemisphärischen Sommer die Passate nachlassen, die Kraft des ozeanischen Auftriebs sich abschwächt und die oberflächennahen Wassermassen sich erwärmen. Die Population der begehrten Fischwelt weicht in kühlere Gewässer aus oder ist anders zusammengesetzt. Die Erwärmung dauert gewöhnlich einige Monate, und etwa im März stellt sich wieder das starke Upwelling ein. Da diese Erscheinung typischerweise um die Weihnachtszeit einsetzt, prägten peruanische Fischer - es sei wiederholt - dafür die Bezeichnung 'El Niño', die spanische Bezeichnung für Christkind. Dies ist die ursprüngliche, aber heute überkommene Auffassung des Begriffes, sie ist von der im folgenden Kapitel dargestellten Definition zu unterscheiden.

 

Der Zustand während eines El Niño-Ereignisses

In Intervallen von etwa 3 bis 8 Jahren kommt es aus noch immer ungeklärten Gründen zu einer Erhöhung des Luftdrucks über Südostasien und dem westlichen Pazifik, während er im östlichen Pazifik sinkt. Als Folge verringert sich der Druckgegensatz über dem Pazifik, und die normalen Passatwinde, die das Oberflächenwasser des Humboldtstroms von Südamerika westwärts nach Indonesien "schieben" (Windstress), flauen fast völlig ab. Über Monate hinweg kann im australisch-indonesischen Bereich gar höherer Luftdruck als über dem mittleren Pazifik herrschen, bis wohin normalerweise der Westrand des südostpazifischen Hochs reicht. Entsprechend besitzt dann z.B. die nordaustralische Wetterstation Darwin einen höheren mittleren Monatswert des Luftdrucks als Stationen im östlichen Pazifik, wie Tahiti oder die Osterinsel. Diese Schwankung des Luftdrucks ist mit El Niño eng verbunden und wird als Southern Oscillation bezeichnet.

Das System Ozean-Atmosphäre gerät in eine Schleife mit positiver Rückkopplung, bei der eine Schwächung der Passate zu warmen Meeresoberflächentemperaturen (SST) und zu einem Meeresspiegelanstieg im östlichen Pazifik führt und umgekehrt. Gleichzeitig sinkt im Westpazifik die SST, ebenso der Meeresspiegel, wohingegen die Thermokline hier ansteigt.

Man spricht von einem El Niño- oder einem Warmereignis des ENSO-Phänomens (Auffassung des Begriffes "El Niño" im modernen Sinne).

Die Intensität der mit einem solchen Warmereignis zusammen hängenden Erscheinungen übertrifft deutlich die Symptome, die auftreten, wenn sich die Passate im jährlichen Rhythmus im Südsommer über dem Südostpazifik abschwächen. Letzteres geschieht als Folge der zenitstandsabhängigen Südverlagerung der Innertropischen Konvergenzzone. Dieser "El Niño" (Christkind) im ursprünglichen Sinne der einheimischen Fischer ist ein jahreszeitliches, um die Weihnachtszeit auftretendes Lokalphänomen und beeinflusst nur die ecuadorianische und den nördlichen Teil der peruanischen Küste.

Wegen desr räumlich unterschiedlich gelegenen Maximums der SST-Anomalien und der damit einher gehenden atmosphärischen Erwärmung werden El Niño-Ereignisse seit einigen Jahren in ostpazifische und in zentralpazifische Warmereignisse unterschieden. Die Bestimmung von zwei unterschiedlichen El Niño-Typen öffnet einen neuen Weg um globale Auswirkungen von El Niño zu untersuchen und zu prüfen, wie El Niño auf das sich wandelnde Klima reagiert, bzw. selbst darauf Einfluss nimmt.

Ozeanische und atmosphärische Zirkulation während einem El Niño-Ereignis

Ozeanische und atmosphärische Zirkulation während einem El Niño-Ereignis


Legende zu Endlicher-Schaubild


Quelle: Endlicher, W. in: Mitteilungen Fränkische Geographische Gesellschaft Nr. 35/36, S. 175-201

Im Extremfall eines El Niño nach modernem Verständnis kann sich die atmosphärische Walker-Zirkulation komplett umkehren. Dies heißt, über dem westlichen Pazifik dominieren absinkende Luftmassen mit Niederschlagsarmut, im östlichen, nunmehr erwärmten Teil, überwiegt Konvektion mit entsprechenden Niederschlägen und relativ geringem Luftdruck.

Nach einer anderen Auffassung kommt es unter den beschriebenen Druckbedingungen nicht zu einer Umkehr der Walker-Zirkulation sondern zu deren Verschiebung Richtung Atlantik. Danach bildet sich gleichzeitig im brasilianischen Nordosten (Nordeste) hoher Luftdruck mit absinkenden Luftmassen aus. Zwischen diesem Hoch und dem ostpazifischen tiefen Druck entsteht eine neue Walker-Zelle, deren absteigender Ast dem Nordeste verheerende Trockenheit bringen kann.

Animation2

Walker-Zirkulation
während
eines El Niño-Ereignisses


Animation von Nicolas Marschall
nach einer Vorlage des DLR

Da mit dem Abflauen der Passatwinde auch der "Motor" des Humboldtstroms außer Kraft gesetzt wird, kommt dieser fast zum Erliegen. Das Gleiche gilt auch für seine Fortsetzung, den westwärts gerichteten Südäquatorialstrom. Das im Westpazifik während einer Neutral- oder La Niña-Phase aufgestaute Wasser fließt - bildhaft ausgedrückt - zurück, gewissermaßen "bergab".

Dieser Rückfluss kann auch als Verstärkung des W-O-fließenden Äquatorialen Gegenstroms gesehen werden. Der warme Äquatoriale Gegenstrom, der sonst etwas weiter nördlich fließt, gelangt so an die Küste Südamerikas und trägt dort zu den erwähnten heftigen Niederschlägen bei. Denn mit der Verlagerung der warmen Wassermassen wird auch der Bereich verlagert, der durch starke Konvektion, begleitende Cumulonimbus-Bewölkung und Starkniederschläge gekennzeichnet ist. Die starken Niederschläge können für Landflächen je nach Verteilung, Menge, Bedarf oder Wasseraufnahmefähigkeit der Böden sowohl katastrophal wie auch nützlich sein. Als Folge der ausbleibenden Passate kommt auch der äquatoriale Kaltwasserauftrieb zum Erliegen, die Kaltwasserzunge entlang des Äquators im Ostpazifik verschwindet.

Das "Zurückfließen" oder "Zurückschwappen" warmer Wassermassen vom West- in den Ostpazifik ist ein in der Literatur häufig gebrauchtes Bild, um das Absinken des ausgeprägten Warmwasserkörpers im Westpazifik und das Auftreten von Warmwassermassen im Ostpazifik zu veranschaulichen. Zwar kommt es in der Tat als Folge der nachlassenden Passate zu einer konkreten Verlagerung von Warmwassermassen von West nach Ost, sie ist jedoch nach heutiger Auffassung nur von untergeordneter Bedeutung.

"The relaxed winds at the surface create an anomalous current to the east so there is also a real transport of some water. This moves heat eastward and accounts for some of the warming."

Persönliche Mitteilung
Kevin E. Trenberth, NCAR, Boulder, 04.01.01

"During brief periods of a few weeks we have observed an intensification of the eastward Equatorial Undercurrent at the thermocline depth and sometimes also above that." [...] "As Kelvin waves are being generated in the west and propagate eastward, we often see an acceleration of surface drifters toward the east. However, a drifter thrown off a ship in the west never gets to the Galapagos islands (not even close)."

Persönliche Mitteilung
David B. Enfield, NOAA/AOML/PHOD, Miami, 10.01.01

Somit ist es falsch anzunehmen, die Hauptmasse der konkreten Warmwassermoleküle würde von West nach Ost verlagert und dort die Erwärmung verursachen. Dem stehen alleine schon die relativ geringen Geschwindigkeiten ozeanischer Oberflächenströmungen entgegen, die auf dem offenen Meer 3 - 6 km/Tag betragen. Heute geht man vielmehr von einem sehr komplizierten und schwer vermittelbaren Modell ozeanischer Wellen (Kelvin-Welle und Rossby-Welle) aus, die Signale transportieren können. Beim Niño ist es ein Erwärmungssignal.

Die Wanderung solcher ozeanischer Wellen lässt sich mit Temperaturmessungen der oberen 400-Meter-Schicht des äquatorialen Pazifiks verfolgen (s. Abb. unten). Derartige Messungen werden mit einem Netz von fest verankerten Bojen (TAO-Array) routinemäßig gewonnen.

Die Bedeutung dieser zwei Wellen-Mechanismen ist bei den verschiedenen ENSO-Ereignissen unterschiedlich stark und vermag unterschiedlich große Areale betreffen. Als zusätzliche Variation wird auch beobachtet, dass Warmwasseranomalien bei El Niño-Ereignissen zunächst vor Peru auftreten, sich dann nach Westen fortsetzen und dort auf den schon vorher bestehenden Warmwasserkörper stoßen.

Die folgenden, den äquatorialen Pazifik überspannenden Tiefenprofile dokumentieren die Entstehung des El Niño von 1997/98. Zusätzlich zu den Temperaturprofilen sind die entsprechenden Temperaturanomalien beigefügt, die die Temperaturabweichungen vom langjährigen Mittel für die betreffenden Monate darstellen. Der Zeitabschnitt entspricht dem Anfangs- und dem Reifestadium des 1997/98 El Niño-Ereignis. Deutlich erkennbar ist der übliche Warmwasserkörper im Westpazifik und die damit verbundene tiefe Lage der Thermokline (Dezember 1996) und dann das von dort ausgehende ostwärtige Vordringen wärmerer Wassertemperaturen (positive Temperaturanomalien) im Verlauf des Warmereignisses. Diese Anomalie kann man mit einem Kelvin-Wellen-Paket identifizieren. Interessant ist, dass diese Wellen ihre stärkste Ausprägung in der Tiefe haben.
Beachtenswert ist die ausgedehnte Masse ungewöhnlich warmen Oberflächenwassers im Ostpazifik (Dezember 1997), Vorbote für die Ankunft des Niño in den südamerikanischen Küstengewässern. Es lässt sich leicht vorstellen, dass das Vorhandensein dieses extremen Warmwasserkörpers den Kaltwasserauftrieb und die damit verbundenen biologischen Prozesse beeinträchtigt. Das Vorhersagepotenzial von ENSO beruht auf diesen ostwärtigen Wanderungen von warmen und kalten Anomalien.

Serie von transpazifischen Tiefenprofilen der mittleren Temperatur entlang des Äquators
für die Monate Dezember 1996 und April, August und Dezember 1997

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mtao3
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Quelle: NOAA

Auslöser für W - O verlaufende Kelvin-Wellen sind häufig Wellenberge im Westpazifik, die ihrerseits durch Westwindanomalien (Westerly Wind Bursts) verursacht werden. Vermutlich ist aber der allmähliche Aufbau eines Wärmevorrats in den oberen Ozeanschichten des Westpazifiks während der Normalphase eine zusätzliche Vorbedingung, so dass es nur noch eines kleinen Anstoßes bedarf, um die Schwelle zur Instabilität zu überschreiten und die Kelvin-Wellen in Bewegung zu setzen.

Kelvin-Wellen, die das Wärmesignal von W nach O übermitteln, sind an den Äquator gebunden und sind durch abwärtige Wasserbewegung (Downwelling) gekennzeichnet. Man kann sie in einem gewissen Sinne mit einem riesigen, langgestreckten Schwimmkörper vergleichen. Dessen größter Teil ist unter Wasser, die Thermokline wird deutlich abgesenkt. Sein geringerer Teil ragt bis zu 150 mm über den mittleren Meeresspiegel. Dies erklärt sich daraus, daß warmes Wasser weniger dicht als kaltes Wasser ist und teils daraus, dass El Niño-Wasser einen geringeren Salzgehalt aufweist als normales Meerwasser und auch aus diesem Grund weniger dicht ist (in El Niño-Gebieten regnet es sehr häufig und Regenwasser vermindert die Salzkonzentration). Beide Bedingungen tragen zu einem Auftrieb des Warmwasserkörpers bei. An der Oberfläche macht sich die äquatoriale Kelvinwelle in Form von breiten, niedrigen Wellen bemerkbar, die nach ca. 6 - 8 Wochen auf den südamerikanischen Kontinent prallen und als Küsten-Kelvinwellen vor allem nach Süden bis nach Zentralchile abgelenkt werden, aber auch im Norden bis nach Alaska nachweisbar sind.

Eine Analogie für den Signal-Transport durch Kelvin-Wellen

"Die Reaktion des Ozeans auf Veränderungen des Winds erfolgt in Form von großräumigen Wellen, die sich viel schneller ausbreiten, als das Wasser fließen kann; ein Vorgang, der mit der Ausbreitung von Wellen in einem gefüllten Wasserschlauch vergleichbar ist. Beim Aufdrehen des Wasserhahns am hinteren Ende fließt sogleich Wasser aus der vorderen Öffnung, ohne dass ein Wasserteilchen die Möglichkeit gehabt hätte, den Weg dazwischen zurückzulegen. Die Druckzunahme, die mit dem Aufdrehen des Wasserhahns verbunden ist, wird mit der Geschwindigkeit von Schallwellen durch den Schlauch übertragen. Sie bewirkt das Fließen des Wassers jeweils in den Teilen des Schlauches, in denen die Druckwelle angekommen ist."

Aus: Arntz/Fahrbach (1991)

Typisch sind auch bei den Küsten-Kelvinwellen die Erhöhung des Meeresspiegels und die Absenkung der Thermokline als wichtigste Ursache der Erwärmung. Die tiefe Lage der Thermokline lässt ein Aufströmen kalten Tiefenwassers nicht oder nur stark verringert zu. Da die ablandigen bzw. küstenparallelen Winde, welche unter Normalbedingungen eine Ursache für das Aufquellen von kaltem Tiefenwasser sind, ausbleiben, besteht ein weiterer Faktor, der eine Erwärmung des Oberflächenwassers entlang der Westküste der Amerikas bewirkt. Zusätzlich ermöglichen El Niño-Bedingungen vor der südamerikanischen Küste eine stärkere Sonneneinstrahlung. Denn mit der Erwärmung der oberen Wassermassen werden die über den sonst kalten Wassermassen übliche Stratocumulus-Bewölkung und der häufige Nebel deutlich reduziert. So wird über eine positive Rückkopplung die Meeresoberfläche weiter erwärmt.

Auch der Zustrom warmen, salzarmen Wassers vom Äquator kann zur Erhöhung der Oberflächentemperaturen vor Südamerika beitragen.

Für den küstenfernen äquatorialen Ostpazifik scheint letztlich auch die Verlangsamung des Südäquatorialstroms eine Rolle bei der Erwärmung zu spielen, da bei gleichbleibendem Wärmezustrom auf die oberen Wasserschichten die Wärme auf geringere Wassermassen verteilt wird. Demnach entsteht die Erwärmung im Wesentlichen vor Ort.

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Niederschläge
von Januar bis März 1998
(in mm)



Quelle: NOAA Climate Prediction Center

Bei einem normalen Niño beträgt die Temperaturerhöhung vor Südamerika ca. 2 - 4 °C und beschränkt sich auf die Oberflächenschichten bis etwa 50 m. Ein starkes Ereignis bewirkt Temperaturerhöhungen bis zu 10 °C, und der Wasserkörper wird über die Schelfkante hinaus bis etwa 300 m Tiefe erwärmt. Auch wird als Folge der Erwärmung der Meeresspiegel um 20-40 cm gehoben, was mit einem Absinken der Temperatursprungschicht (Thermokline) sowie höheren Sauerstoffwerten verbunden ist. All dies hat weitreichende Folgen für die Ökologie der südamerikanischen Pazifikküste. Das Absinken der Thermokline erschwert und reduziert ein Aufquellen von nährstoffreichem Tiefenwasser. Vielmehr strömt jetzt relativ warmes, nährstoffarmes Wasser von oberhalb der Thermokline an die Oberfläche. Als Folge wird die Primärproduktion und damit die ganze Nahrungskette stark beeinträchtigt.

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Vergleich von Meeresoberflächentemperaturen, Nitratgehalt, Chlorophyll A-Konzentration und Primärproduktion

Der Vergleich erfolgt entlang einem Transekt durch den Pazifik bei 5° Süd vor der peruanischen Küste während Normalbedingungen im Juli 1983 und während dem Höhepunkt der ENSO-Episode im Mai desselben Jahres.

 

Quelle:
Endlicher, W. in: Zum El Niño-Southern Oscillation-Ereignis 1983
und seinen Auswirkungen im peruanischen Küstengebiet.
Nach: Barber & Chavez, 1983, vereinfacht.

Der nachlassende Anschub des Kaltwasserstroms von Süden (Humboldtstrom) und damit die Schwächung des westwärts gerichteten Südäquatorialstroms verhindert andererseits den Warmwassertransport in Richtung Westpazifik. Als Folge verdunstet im Raum Indonesien und Australien weniger Wasser und die Monsun-Niederschläge werden deutlich abgeschwächt oder bleiben aus. Dies führt zu Dürreperioden.

wsstlr

Durchschnittlicher zonaler Oberflächenwind (a),
Meeresoberflächentemperatur (b) und
Langwellenstrahlung (c)


Angaben für die Zeit von September 1996 bis August 1998 entlang des pazifischen Äquators

Quelle:
McPhaden in: The 1997-1998 El Niño Event: A Scientific and Technical Retrospective (WMO Retrospektive)

Ein weiterer Effekt von El Niño: Durch die abgeschwächten Passatwinde entstehen im Westpazifik Wellen, die dort mit verstärktem Auftrieb von kaltem Wasser an die Oberfläche einhergehen. Diese Temperaturanomalie im Westen stellt die Vorbereitung zu einer Niña-Phase dar. Wiederum Kelvin-Wellen transportieren das Abkühlungssignal ostwärts. Im Ostpazifik angekommen, kühlen diese Wellen die Wassermassen ab und leiten den Umschwung zu einem La Niña-Ereignis ein.

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Animationen zum Verlauf des El Niño 1997/98

linke Animation: Abweichung der Oberflächentemperatur des Pazifiks (SST) in der Zeit von Januar 1997 bis Jan 1998.

rechte Animation: Entwicklung von Wassertemperatur, Strömung und Wind in der Zeit von April 1996 bis März 2000.

Zum Start der Animationen und für Zusatzinformationen auf die jeweilige Grafik klicken.

Quelle: NOAA

Die Variante El Niño Modoki

Es wird in jüngerer Zeit zunehmend anerkannt, dass wenigstens zwei verschiedene El Niño-Typen (engl. types oder flavors) im tropischen Pazifik auftreten, und zwar in Bezug auf ihre räumlichen und zeitlichen Charakteristika sowie ihre Fernwirkungsmuster (z.B. Wang und Weisberg 2000; Trenberth und Stepaniak 2001; Ashok et al. 2007; Yu und Kao 2007; Weng et al. 2007; Kug et al. 2009; Ashok and Yamagata 2009).

Die bislang geschilderte traditionelle oder klassische Variante von El Niño in der ostpazifischen Kaltwasserzunge wird ergänzt durch die Modoki-Variante, bei der eine Erwärmung im zentralen tropischen Pazifik beobachtet wird und nicht vor der südamerikanischen Küste. Dabei wird die Wärmeanomalie auf beiden Seiten des Pazifikbeckens von kühleren Meerestemperaturen flankiert.

'Modoki' ist japanisch, bedeutet 'ähnlich aber verschieden' und wurde zuerst von Prof. Yamagata so bezeichnet.

Alternative Bezeichnungen sind „Datumsgrenzen-El Niño“ (engl. "dateline El Niño") weil die stärkste Erwärmung in der Nähe der Datumsgrenze beim 180. Längengrad auftritt, sowie „Zentralpazifik-El Niño“ (engl. "Central Pacific (CP) El Niño"). Demgegenüber wird der traditionelle Niño auch als „Ostpazifik-El Niño“ (engl. "Eastern Pacific (EP) El Niño") bezeichnet, da dessen positive Temperaturanomalien im Ostpazifik auftreten.

Zusammen mit seinem Gegenpart, der La Niña Modoki, bei der der kältere Zentralpazifik vom wärmeren Ost- und Westpazifik flankiert wird, erhielt El Niño die Bezeichnung 'ENSO Modoki', die beiden Phasen (kalt und warm) des neuen Phänomens umfassend.

Bei den beiden El Niño-Typen zeigen sich deutliche Unterschiede bei der räumlichen Struktur, der Entwicklung und der Dynamik (Wang et al. 2012). Diese Unterschiede betreffen die Meeresoberflächentemperatur (SST), die Thermokline, die Wind- und Niederschlagsverhältnisse.

Die Telekonnektionen dieses Halbbruders (wenn man so will) des „Christkinds“ sind nicht weniger markant, aber teilweise genau umgekehrt wie bei einem klassischen El Niño. In Peru und Kolumbien fallen die El Niño-typischen Starkniederschläge aus: Das Tiefdruckzone, die sonst mit den warmen Wassermassen vor dem westlichen Südamerika auftritt, bleibt bei El Niño Modoki im Zentralpazifik. In Australien vermindert sich der Niederschlag erheblich stärker als in normalen El Niño-Jahren, oft kommt es zu einer extrem kurzen Regenzeit. In einigen Regionen, die sonst von El Niño nur wenig betroffen sind, spielt das Wetter während eines El Niño Modoki dagegen verrückt. In Japan und Ostasien etwa kommt es zu Dürren und Hitzewellen. Der Niederschlag des indischen Monsuns kann vom CP-El Niño stärker unterdrückt werden als vom EP-El Niño.

El Nino

El Niño
Bei El Niño strömt – vereinfacht ausgedrückt - warmes Wasser nach Osten zurück, sodass vor der Küste Perus die Wassertemperatur steigt. Die Luftfeuchtigkeit steigt und Niederschläge nehmen zu.

 

La Nina

La Niña
Bei La Niña-Bedingungen gibt es im Pazifik starke Passatwinde, die warmes Wasser nach Südostasien treiben. Dadurch steigt vor der Küste Perus kaltes Wasser auf, und die oberflächennahen Wasserschichten kühlen sich ab. Die Folge ist Regenarmut.

 

Die Varianten
von El Niño und La Niña


Der Begriff 'El Niño Modoki' wurde von Prof. Yamagata 2004 eingeführt, als er versuchte, das anomale Sommerwetter über Japan zu erklären.
Seither ist er besonders in den japanischen Massenmedien verwendet worden. 'Modoki' ist ein klassisches japanisches Wort mit der Bedeutung 'ähnlich aber verschieden'.

Die Grafiken sind stark vereinfacht.

Die Farben beschreiben Abweichungen vom Mittelwert der SST (Rot: warm – Blau: kalt – Weiß: Mittelwert)


Quelle: meteoradar

 

El Nino Modoki

El Niño Modoki
Bei El Niño Modoki wehen die Winde aus entgegengesetzten Richtungen. Dadurch erwärmt sich der zentrale Pazifik.

 

La Nina Modoki

La Niña Modoki
Bei La Niña Modoki treiben die Winde das warme Wasser nach Osten und Westen. Dadurch kühlt der zentrale Pazifik ab.

 

Im Atlantik tritt ein recht nachteiliger Effekt von El Niño Modoki auf. Er hebt dort den Hurrikanschutz auf, den normale El Niño-Bedingungen dort bewirken. Im El Niño-Modoki-Jahr 2004 kam es beispielsweise zu zwölf tropischen Stürmen, darunter „Ivan“, einem der stärksten Hurrikane im Atlantik seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Insgesamt verursachten die Stürme etwa genauso große Schäden wie der Super-El Niño von 1997.

In Zukunft sind diese untypischen El Niños häufiger zu erwarten. Wissenschaftler vom Korea Ocean Research and Development Institute (Yeh et al. 2009) stellten fest, dass es zwischen 1850 und 1990 insgesamt 32 normale El Niños und 7 El Niño Modokis gab. Nach 1990 ereigneten sich nur noch 4 normale El Niños, aber 6 El Niño Modokis. Von den fünf El Niño-Ereignissen im 21. Jh. waren drei vom Central Pacific-Typ. Modellrechnungen des Teams ergaben, dass der Halbbruder in einem wärmeren Klima viel häufiger auftritt als in der Vergangenheit. Der El Niño 2015/16 wird dem Ostpazik-Typ zugerechnet oder auch einer Mischform aus EP- und CP-Typ.

Allerdings gibt es noch eine wissenschaftliche Debatte darüber, ob die neue Variante als eigenständige Erscheinung überhaupt existiert und mit den vorhandenen Daten ausreichend sicher belegt werden kann, insbesondere angesichts der kurzen Datenreihe von nur wenigen Dekaden. Die bereits beobachteten Veränderungen des El-Niño-Musters könnten auch auf einer natürlichen Schwankung mit einem Zehn- bis Hundertjahresturnus beruhen. "El Niño Modoki" könnte demnach in vielleicht 30 Jahren wieder verschwunden sein.

Jedenfalls hat sich das Muster von El Niño sich in den letzten Jahren dramatisch verändert, wie der erste saisonale Datensatz zeigt, der verschiedene Arten von El Niño-Ereignissen in den letzten 400 Jahren unterscheidet. Der neue Zentralpazifik-El Niño ist in den letzten Jahrzehnten häufiger geworden als zu irgendeinem Zeitpunkt in den letzten vier Jahrhunderten. Im gleichen Zeitraum sind die klassischen El Niño-Ereignissen intensiver geworden. Über die letzten 400 Jahre hinweg traten El Niño-Ereignisse im Zentral- und Ostpazifik in etwa in gleicher Häufigkeit auf. Einige Klimamodellstudien deuten darauf hin, dass dieser jüngste Wandel der sog. "flavours" von El Niño auf den Klimawandel zurückzuführen sein könnte, aber bisher waren die langfristigen Beobachtungen begrenzt. (Freund et al. 2019)

CP EN wird häufiger

El Niño Modoki wird häufiger

Die Abbildung zeigt die Häufigkeit von CP-El Niños im Verhältnis zur Häufigkeit von EP-El Niños in den letzten vier Jahrhunderten, ausgedrückt als die Anzahl der Ereignisse in 30-jährigen Zeitfenstern.
Für die lange Zeitreihe analysierten Forscher Proben von insgesamt 27 Korallenbänken, verteilt über den gesamten Pazifik. Als Maßstab für das Korallenwachstum bestimmten sie den Gehalt des Sauerstoff-Isotops O-18 und die Konzentrationsverhältnisse der beiden Metalle Strontium und Kalzium. Aus diesen Messdaten konnten sie auf die vorherrschenden Wassertemperaturen bis etwa ins Jahr 1600 zurückschließen.

Quelle:  Mandy B. Freund et al. Nature May 6 2019

Die El Niño-Vorhersagen, zum Beispiel von der US-Klimabehörde NOAA, unterscheiden zurzeit (2015) noch nicht zwischen einem traditionellen El Niño und seiner neu beschriebenen Variante. Dementsprechend unzuverlässig sind die Prognosen für die Witterungsbedingungen in einzelnen Regionen.

El Nino Modoki 2009-10

El Niño Modoki 2009/10

Abweichungen von den normalen Meeresoberflächentemperaturen (links) und Meeresoberflächenhöhen (rechts) auf dem Höhepunkt des El Niños 2009-2010 im Zentralpazifik, gemessen von NOAA-Satelliten in einer polaren Umlaufbahn bzw. der NASA-Raumsonde Jason-1. Die wärmsten Temperaturen und die höchsten Meeresspiegel waren im zentralen äquatorialen Pazifik zu verzeichnen.

Quelle: NASA/JPL-NOAA

Der El Niño von 1977/78 ist ein typisches Beispiel für einen Central-Pacific El Niño. Während dieses Warmereignisses waren die SST-Anomalien überwiegend im äquatorialen Zentralpazifik von 160° O bis 120° W konzentriert, wobei sie die Nino3.4- und die Nino4-Region abdeckten. Im Gegensatz dazu waren bei dem typischen Eastern Pacific El Niño von 1997/98 die SST-Anomalien überwiegend im östlichen Teil des tropischen Pazifik lokalisiert. Sie erstreckten sich von der südamerikanischen Küste bei etwa 80° W bis 160° W und deckten die Regionen Nino1+2 und Nino3 ab.


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SST-Anomaliemuster für

(a) den El Niño 1997-98 (Anomalien, gemittelt von November 1997 bis Januar 1998)

(b) den El Niño 1977-78 (Anomalien, gemittelt von November 1977 bis Januar 1978)

Quelle: Wang et al. 2012

 

Die Variante Küsten-El Niño

Der sogenannte Küsten-El Niño (El Niño costero) ist eine relativ neue Bezeichnung für das mehrere Monate andauernde Auftreten von außergewöhnlich warmen Wassermassen vor den Küsten (Nord-)Perus und Ecuadors. Diese regionale El Niño-Variante basiert auf der ursprünglichen Auffassung von El Niño und wurde von den Mitarbeitern des ressortübergreifenden peruanischen Forschungsverbunds ENFEN (Comité Multisectorial Encargado del Estudio Nacional del Fenómeno El Niño) eingeführt. Ihre nur regionale Erwärmung der Meeresoberflächentemperaturen unterscheidet sie vom Pazifik-weiten El Niño.

Weder die Mechanismen, die den Küsten-El Niño auslösen, noch dessen Auswirkungen auf Land sind Teil seiner Definition. Aber diese El Niño-Variante kann sowohl auftreten als Teil von ENSO mit dessen großskaligen Veränderungen von Luftdruck, Winden und ozeanischen Wellen im äquatorialen Pazifik, wie auch nur regional entstehen aufgrund von Veränderungen der Luftzirkulation über dem Ostpazifik.

In einigen Fällen können die warmen Wassermassen sich südwärts bis zur Küste von Zentral- und Südperu ausbreiten. Ein Küsten-El Niño kann einhergehen mit sehr starken Regenfällen während des Südsommers, von denen die tiefen und mittleren Höhenlagen im Bereich der Küsten Ecuadors und des nördlichen und mittleren Perus betroffen sind. Ebenso können je nach Stärke und Dauer des Ereignisses Auswirkungen auf das marine Ökosystem sowie auf die Wellendynamik vor Peru auftreten.

Extreme Erwärmung der Küstengewässer vor Peru und Ecuador

Extreme Erwärmung der Küstengewässer vor Peru und Ecuador

Links: Darstellung der mittleren Meeresoberflächen-temperaturen (SST) für den Monat März im Zeitraum 1981-2010.

Mitte: Darstellung der mittleren Meeresoberflächentemperaturen (SST) im März 2017.

Rechts: Darstellung der Anomalien der Meeresoberflächen-temperaturen für den März 2017. Diese Darstellung drückt den Unterschied zwischen den Werten der linken und der mittleren Darstellung aus. Quelle: ENSO Blog

Anders als der großräumige El Niño ist der Küsten-El Niño nicht Monate im Voraus vorhersagbar. Verursacht wird er durch die Abschwächung des Südwinds (Passat) an der Küste. Normalerweise unterstützt der Südwind den Humboldtstrom, der kühles Wasser nach Norden transportiert, und er bewirkt das Aufquellen von kaltem Tiefenwasser (Upwelling). An der Küste kommt es dadurch tendenziell zum Absinken von Luftmassen, und es regnet nur selten.

Tritt ein Küsten-El Niño auf, ist das Upwelling wegen der abgeflauten Südwinde vermindert, das Wasser vor der Küste kann sich durch die sommerliche Einstrahlung stark erwärmen, es kann fünf bis sechs Grad wärmer als üblich sein. Die Folgen sind starke Verdunstung und Feuchtetransport auf Land mit z.T. Starkniederschlägen, torrentiellem Abfluss in Bächen und Flüssen, Schlammlawinen (huaicos). Daraus können sich Katastrophenereignisse ergeben, die während des Küsten-El Niño von 2017 besonders im März zu Notsituationen mit entsprechenden Infrastrukturschäden und Menschenverlusten, wie während der extremen El Niños von 1983 und 1998 führten. Die Auswirkungen eines Küsten-El Niños sind nach bisherigem Kenntnisstand auf die erwähnten Regionen beschränkt.

Man sieht starke Küsten-El Niños nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel. Klimaforscher weisen aber immer wieder darauf hin, dass Extremwetterereignisse infolge der Erderwärmung zunehmen.

Historische Niederschlags-rekorde im Norden Perus

Historische Niederschlagsrekorde im Norden Perus

(Tageshöchstwerte in den Monaten Januar, Februar, März 2017)

Legende:

Legende zu Historische Niederschlags-rekorde im Norden Perus

Quelle: Senamhi

Aus praktischen Gründen hat sich ENFEN dafür entschieden, Küsten-El Niños mit Hilfe der Anomalien der Meeresoberflächentemperaturen in der Region Niño 1+2 zu bestimmen, da deren Werte eng mit entsprechenden Auswirkungen (z.B. Küstenniederschläge, Fischerei usw.) verbunden sind und sie auch Teil der großskaligen Ozean-Atmosphärendynamik sind, die bei der Vorhersage behilflich sind.

Um das Auftreten und die Stärke von Küsten-El Niños in operativer Weise zu bestimmen, hat das ENFEN den “El Niño-Küstenindex” (Índice Costero El Niño, ICEN) geschaffen, der aus dem Mittelwert der dreimonatigen Anomalien der SST in der Region “Niño 1+2” besteht. Um als Küsten-El Niño zu gelten, muss der ICEN mindestens drei Monate in Folge +0,4°C übersteigen (Nota Técnica ENFEN, 2012). Die Stärke des Ereignisses kann schwach, mäßig, stark oder außergewöhnlich stark sein, abhängig von den jeweiligen Höchstwerten des ICEN.

Im Jahr 2015 hat das ENFEN ein Warnsystem für Küsten-El Niños eingeführt (Nota Técnica ENFEN, 01-2015), um früher vor dem Auftreten eines Küsten-El Niño zu warnen, ohne warten zu müssen, bis der o.g. Grenzwert erreicht ist.

Im Allgemeinen kann ein bestimmtes Ereignis eine Kombination aus einer El Niño-, La Niña- oder Neutralphase in ihrer Küstenvariante und ihrer Zentralpazifik-Variante sein. Beispielsweise hat sich ein Küsten-El Niño im Südsommer 2017 ereignet und gleichzeitig waren im Zentralpazifik neutrale Bedingungen anzutreffen. Demgegenüber haben sich während der El Niños 1982-83 und 1997-98 El Niño-Bedingungen sowohl an der Küste, als auch im Zentralpazifik entwickelt. Diese Kombinationen und die entsprechenden Intensitäten gehen mit verschiedenen Auswirkungen in Peru einher.

Probleme bei der Vorhersage des El Niño costero 2017

"This preliminary study examines the definition problem and challenges of climate forecasting and disaster responses associated with the El Niño costero (coastal) of 2017, which developed rapidly with no warning and had catastrophic effects in Peru. Such a localized El Niño was not documented since 1925. An initial review suggests that in addition to the characteristics of the event (surprise), government responses may have been inadequate (as media reported) because of conflicting forecast reports (U.S. and Peru), which provoked a hydrometeorological debate and stifled decision making. Partly to blame was the El Niño definition problem, which can cause uncertainty and affect perception of risk, depending on which region of the equatorial Pacific one uses to identify an event. Responses were further complicated by the fact that some regions within Peru were experiencing drought prior to the El Niño costero’s onset and impacts from the El Niño 2015–2016 were less than expected. Furthermore, a new government was in place, which may have hindered action. Thus, El Niño costero provides lessons to heed, not only with respect to the forecast information, but also with reference to the context of the forecast and disaster setting, which can influence disaster responses to hydrometeorological threats."

Aus: Ramírez & Briones 2017

Weitere Informationen:

 

Der Zustand während eines La Niña-Ereignisses

Aufgrund des Interesses für El Niño und seine Auswirkungen auf die Welt wurde die Erforschung der zweiten Extremphase innerhalb des ENSO-Systems - La Niña - zunächst etwas vernachlässigt.

Obwohl La Niña als kaltes Gegenstück von El Niño gilt, hat es nicht einfach die gegensätzlichen Auswirkungen. Während eines La Niña-Ereignisses sinken die ohnehin schon kühlen Meeresoberflächentemperaturen (SST) im östlichen und zentralen Pazifik durch den Auftrieb von kühlem Tiefenwasser noch weiter ab. Die demgegenüber wärmeren SST im tropischen Westpazifik tendiert zu noch höheren Temperaturen. Gleichzeitig ist der Luftdruck über Indonesien und Nordamerika niedriger, über dem tropischen Ostpazifik hingegen höher als normal.

Durch die erhöhte Druckdifferenz verstärken sich die westwärts gerichteten Passatwinde entlang des Äquators. Insgesamt ist die normale Walker-Zirkulation während des nordhemisphärischen Winters und Frühjahrs deutlich stärker. Sie bewirkt schon in der Neutralphase einerseits Konvektion, Bewölkung und Niederschlag über Indonesien und dem westlichen Pazifik und andererseits absinkende Luft über dem äquatorialen Ostpazifik.

Die Thermokline verlagert sich im Bereich des östlichen und zentralen äquatorialen Pazifiks mehr an die Oberfläche. Letztendlich kann mehr kaltes Tiefenwasser an der Westküste Südamerikas und entlang des Äquators an die Oberfläche kommen. Eine Kaltwasserzunge reicht bis weit nach Westen. Das außergewöhnlich kalte Wasser unterdrückt Konvektion, Bewölkung und letztlich den Niederschlag, besonders während des nordhemisphärischen Winters und Frühjahrs.

Die folgenden Globus-Karten zeigen die Bedingungen über dem zentralen und östlichen Pazifik, wie sie am 25. November 2020 beobachtet und von JPL-Wissenschaftlern analysiert wurden. Der Globus auf der linken Seite zeigt die vom Jason-3-Satelliten gemessenen Anomalien der Meeresoberflächenhöhe. Blaue Schattierungen zeigen Meeresspiegel an, die niedriger als der Durchschnitt waren; normale Meeresspiegelbedingungen erscheinen weiß; und rote Schattierungen zeigen Gebiete an, in denen der Ozean höher als normal stand. Die Ausdehnung und Kontraktion der Oberfläche ist ein guter Indikator für die Temperatur des Ozeans, da sich wärmeres Wasser ausdehnt, um mehr Volumen zu füllen, während sich kälteres Wasser zusammenzieht.

Der zweite Globus zeigt Daten zur Meeresoberflächentemperatur (SST) aus dem Projekt Multiscale Ultrahigh Resolution Sea Surface Temperature (MUR SST). MUR SST kombiniert Messungen der Meeresoberflächentemperaturen von mehreren NASA-, NOAA- und internationalen Satelliten sowie von Schiffs- und Bojenbeobachtungen. (Wissenschaftler verwenden auch Instrumente, die im Meer schwimmen, um Unterwassertemperaturen zu erfassen).

Anomalien der Meeresoberflächenhöhe und der Meeresoberflächentemperatur im Pazifik während des La Niña-Ereignisses 2020/21

Anomalien der Meeresoberflächenhöhe und der Meeresoberflächentemperatur im Pazifik während des La Niña-Ereignisses 2020/21


Die beiden Globus-Karten zeigen die Bedingungen über dem zentralen und östlichen Pazifik, wie sie am 25. November 2020 beobachtet und von JPL-Wissenschaftlern analysiert wurden.

Quelle: NASA

La Niña tritt etwa alle 3 bis 5 Jahre auf und dauert dann normalerweise 9 bis 12 Monate, kann aber auch bis zu 2 Jahre andauern. Ein La Niña-Ereignis kann, muss aber nicht direkt auf ein El Niño-Ereignis folgen. Beispielsweise wurde die La Niña von 2020/21 im Gegensatz zu vielen früheren La Niña-Ereignissen nicht von seinem warmen Pendant, El Niño, begleitet. Auch entwickelte sie sich überraschend rasch.

Die La Niña von 2020/21 passt im Übrigen in ein größeres Klimamuster, das seit fast zwei Jahrzehnten andauert - eine kühle (negative) Phase der Pazifischen Dekadischen Oszillation (PDO). Zuvor befand sich der Pazifik während des größten Teils der 1980er und 1990er Jahre in einer warmen PDO-Phase, die mit mehreren starken El Niño-Ereignissen zusammenfiel. Doch seit 1999 dominiert eine kühle Phase.

Was die Anzahl der beiden Ereignistypen anbelangt, so ist man ist sich nicht sicher, ob es aufgrund der globalen Erwärmung in nächster Zeit mehr El Niño-Ereignisse geben wird.

oni_ggw

Jahre mit El Niño und La Niña
mit der jeweiligen Intensität der Ereignisse


Die Angaben basieren auf dem Oceanic Niño Index (ONI), der zu einem de facto-Standard der NOAA geworden ist, um Warm- und Kaltereignisse im tropischen Pazifik zu identifizieren.
Eine Tabelle mit den aktuellen Werten findet man beim NOAA CPC

Quelle und aktuellste Version:
Golden Gate Weather Services

Wie El Niño hat auch La Niña Telekonnektionen. Allgemein ist während einer Niña mit überdurchschnittlichen Niederschlägen in folgenden Gebieten zu rechnen: Westlicher Pazifik und ozeanisch beeinflusste Kontinentteile (z.B. Mozambik 2000), Südasien (während des SW-Monsuns), Nord- und NO-Australien, südliches Afrika, nördliches Südamerika, (einschließlich NO-Brasilien), Mittelamerika, Hawaii-Inseln.

Dem gegenüber treten unterdurchschnittliche Niederschlagsmengen häufig in folgenden Gebieten auf: Äquatornahe Inseln im zentralen Pazifik, mittleres Ostafrika, Teile des südöstlichen und südwestlichen Südamerika. Im SW der USA und in Nord-Mexiko kann es im Spätsommer bis in den folgenden Winter zu trockeneren Verhältnissen kommen. Die Inneren Ebenen Nordamerikas erhalten im Herbst, der SO im Winter unterdurchschnittliche Niederschlagsmengen. Hingegen ist der pazifische NW der USA im Spätherbst und Frühwinter eher feuchter. Die La Niña-Winter sind im SO der USA wärmer und im NW kälter als normal. Nach den Untersuchungen von Dr. William Gray der Colorado State University und von chinesischen Forschern steigt die Wahrscheinlichkeit eines Hurrikans in den USA oder in der Karibik während eines La Niña-Ereignisses an.

Ein gutes Beipiel für diesen Befund ist die atlantische Hurrikansaison 2020. Sie wird als eine Saison der Superlative in die Geschichte eingehen: die meisten benannten Stürme, die in einem Jahr beobachtet wurden (30); die meisten Stürme, die in den kontinentalen Vereinigten Staaten an Land gingen (12); die meisten, die Louisiana trafen (5); und die meisten Stürme, die sich im September bildeten (10). Die Saison 2020 war überdurchschnittlich stark, und das nicht nur in Bezug auf die reinen Zahlen. (A Destructive Abundance, NASA)

Der Hurrikan Mitch, der während der La Niña-Episode von 1998 auftrat, war einer der stärksten je beobachteten atlantischen Hurrikane und verursachte mehr Todesopfer als jeder andere Hurrikan der letzten 200 Jahre. Mitch verwüstete Mittelamerika, kostete 10.000 Menschen das Leben und verursachte Sachschäden in Höhe von $6 Mrd., was einem Siebtel des Bruttosozialprodukts der ganzen Region entspricht.

Ein Einfluss von La Niña-Ereignissen auf Europa wird vermutet, ist jedoch noch nicht endgültig nachgewiesen. Auch ist umstritten, ob der eventuelle Einfluss von La Niña stärker oder schwächer ist als der von El Niño.

Im Dezember 2022 befand sich die Erde erneut im Griff von La Niña. Diese zwar relativ schwache, aber ungewöhnlich lange La-Niña-Periode begann im Jahr 2020 und kehrte für den dritten Winter in Folge auf die Nordhalbkugel zurück, was dieses Ereignis zu einem seltenen "Triple-Dip" macht. Andere Triple-Dip-La-Niña-Ereignisse seit 1950 wurden in den Jahren 1998-2001, 1973-1976 und 1954-1956 verzeichnet.

Triple Dips in den saisonalen Trends des Oceanic Niño Index (ONI)
Quelle: NASA Earth Observatory

 

Die Variante La Niña Modoki

Die traditionelle La Niña, auch als Ostpazifik-La Niña (engl. Eastern Pacific (EP) La Niña) bezeichnet, ist mit Temperaturanomalien im Ostpazifik verbunden (KAO 2009). Allerdings wurden in den vergangenen zwei Dekaden nicht-traditionelle La Niñas beobachtet, bei denen die übliche Region der Temperaturanomalie (Niño 1 and 2) nicht betroffen ist, sondern eine Anomalie im zentralen Pazifik (Niño 3.4) auftritt. Das Phänomen wird demnach als Zentralpazifik-La Niña (engl. Central Pacific (CP) La Niña) bezeichnet. Weitere Benennungen sind Datumsgrenzen-La Niña (engl. dateline La Niña) wegen ihres Auftretens unweit der Datumsgrenze und La Niña Modoki (Yuan 2012, Cai 2009). Modoki ist japanisch für ‚ähnlich‘, aber verschieden‘.

In weiterer Differenzierung, erkennen manche Wissenschaftler zusätzliche Varianten (flavors) der EP-La Niña sowie der CP-La Niña, und wieder andere sehen ENSO als Kontinuum, das oft als Mischform auftritt (Johnson 2013).

Die Auswirkungen der CP-La Niña sind verschieden von denen der traditionellen EP-La Niña. Beispielsweise führt die 'neue' La Niña eher zu einer Niederschlagszunahme über NW-Australien und im nördlichen Murray-Darling-Becken, als im Osten Australiens wie bei einer konventionellen La Niña (Cai 2009). Auch verstärkt die Modoki-La Niña die Häufigkeit von Zyklonen über der Bucht von Bengalen, aber reduziert das Auftreten von starken Stürmen über dem Indik (RameshKumar 2014)

Die Entdeckung von ENSO-Modoki lässt einige Forscher einen Zusammenhang mit der globalen Erwärmung vermuten (Yeh 2009). Allerdings gibt es noch keinen wissenschaftlichen Konsens über eine Verbindung zwischen ENSO und globaler Erwärmung, weder grundsätzlich noch bezüglich der möglichen Mechanismen (Collins 2010).

Es gibt auch eine wissenschaftliche Auseinandersetzung darüber, ob es die neuen ENSO-Typen überhaupt gibt. Eine Reihe von Studien bestreiten, dass die aus statistischen Daten getroffene Unterscheidung die Realität widerspiegelt, bzw. dass die neuen Typen verstärkt auftreten oder beides (Nicholls 2008, McPhaden 2011). Sie sehen z.B. die zeitliche Kürze der Beobachtungsreihen als schwache Basis, um daraus eine solche Unterscheidung ableiten zu können oder sie schlagen vor, dass vielmehr andere Typen unterschieden werden sollten, z.B. Enso-Ereignisse mit Standardcharakter und solche mit Extremcharakter. (Giese 2011, Newman 2011, Yeh 2011, Na 2011, L'Heureux 2012, Lengaigne 2010, Takahashi 2011)

Weitere Informationen:

 

Schwierigkeiten der Zuordnung

Der Kontrast der räumlichen Muster entspricht der Vorstellung von zwei archetypischen Strukturen des ENSO-Phänomens: Ostpazifik-Ereignisse (EP) und Zentralpazifik-Ereignisse (CP) (z.B. Ashok et al. 2007; Kao und Yu 2009), eine Vorstellung, die einer früheren Einschätzung der ENSO SST-Muster durch Trenberth und Stepaniak (2001) folgt. Dies ist in der Abbildung unten dargestellt, die auch zeigt, dass ein Ereignis nicht unbedingt in eine von beiden Kategorien fallen muss: es ist auch ein Muster möglich, das eine Mischung aus EP- und CP-Typen ist, als Teil des ENSO-Kontinuums, das sich aus nichtlinearer Dynamik, Stochastik und entfernten Antrieben ergibt, und das auch zu Vielfalt an zeitlicher Entwicklung führen kann (z.B. Takahashi et al. 2011; Dommenget et al. 2013; Lee et al. 2014; Takahashi und Dewitte 2016). Diese intrinsische ENSO-Komplexität wurde kürzlich von Timmermann et al. zusammengefasst (2018). Daher kann eine klare Klassifizierung bestimmter ENSO-Ereignisse in EP und CP schwierig und abhängig von der Wahl des Index sein (z.B. Capotondi et al. 2015a).

ENSO-Diversität von 1980–2017

ENSO-Diversität von 1980–2017

Quelle: Santoso et al. 2019

(a) EP ENSO-Index (EPI) vs. CP-Index (CPI) gemittelt über die Monate DJF, wenn ENSO-Ereignisse typischerweise ihren Höhepunkt erreichen, wobei die Kreisgröße der ENSO-Amplitude entspricht und die Farbe den Typ (EP, CP, EP/CP) anzeigt.
(b) -(e) Zusammenstellung von DJF SST-Anomalien für jede Art von ENSO-Ereignis.
(f) SST-Anomalie über dem äquatorialen Pazifik (gemittelt über 5°S-5°N), die durch verschiedene Farben gekennzeichnet ist, welche die Ereignistypen in (a) bezeichnen. Der EPI und der CPI basieren auf denen von Sullivan et al. (2016), definiert als Niño-3 - 0,5 × Niño-4 bzw. Niño-4 - 0,5 × Niño-3 (wobei die Niño-Indizes zuerst normalisiert werden). Niño-3- und Niño-4-Indizes sind SST-Anomalien, gemittelt über (5°S-5°N,150°-90°W) bzw. (5°S-5°N, 160°E-150°W). Ein beliebiger Schwellenwert (Thr) kann auf die Indizes angewendet werden, um sie jedes Jahr in EP, CP oder eine Mischung (EP/CP) einzuteilen. In diesem Fall wird 0,7 der Index-Standardabweichung (sdev) verwendet (gestrichelte Linien), wobei die extremen El Niños der Jahre 1982/83 und 1997/98 als EP-Ereignisse (dunkelrot) klassifiziert werden, dabei gilt EPI > EP Thr und CPI < CP Thr. Auf diese Weise können die El Niños 2015/16 und 1991/92 sowohl als EP, wie auch als CP (rot) klassifiziert werden, und die gelben Ereignisse sind CP El Niños (CPI > CP Thr, EPI < EP Thr).
Das Gleiche gilt für La Niñas, jedoch mit negativen Schwellenwerten. Beachten Sie, wie sich die Ereignisklassifizierung bei geringfügiger Verschiebung der Schwellenwerte ändern kann. Die Größe der Kreise entspricht der Größe der Niño-3.4-Anomalie: große Kreise für |Niño-3.4| > 1.8 sdev, mittlere Kreise für 1 sdev < |Niño-3.4| < 1.8 sdev, und kleine Kreise für 0.5 sdev < |Niño-3.4| < 1 sdev. Graue Kreise werden als neutrale Jahre betrachtet (|Niño-3.4| < 0.5 sdev).

 

ENSO und Globale Erwärmung

Die El Niño-Südliche Oszillation (ENSO), die ihren Ursprung im äquatorialen Pazifik hat, ist das wichtigste Klimaphänomen der Erde mit sehr weitreichenden globalen Auswirkungen auf die Gesellschaft, z. B. auf die Landwirtschaft, die öffentliche Gesundheit, die Infrastruktur, das Verkehrswesen, die Wassersicherheit sowie die Auswirkungen auf Ökosysteme und die biologische Vielfalt. Insofern benötigen wir dringend Informationen über die wechselseitige Beziehung von ENSO und Klimawandel. In den letzten Jahren machten Wissenschaftler - wenn auch noch unzureichende - Fortschritte beim Verständnis der beobachteten und prognostizierten ENSO-Veränderungen in einem sich erwärmenden Klima.

Im August 2021 hat der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change; IPCC) seinen Bericht der Arbeitsgruppe 1 über die physikalisch-wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels veröffentlicht. Dieser sowohl von der Bedeutung als auch vom Umfang her riesige Bericht (er umfasst fast 4000 Seiten!) deckt buchstäblich alles ab, was man sich über das Klima der Erde nur vorstellen kann. Veränderungen in der Vergangenheit, aktuelle Beobachtungen und künftige Erwärmungsprognosen - all das ist darin enthalten. Was also sagt diese umfassende Zusammenfassung der Klimaforschung über die El Niño-Südliche Oszillation (ENSO) und den Klimawandel aus? Tom Di Liberto (u.a. freier Mitarbeiter der NOAA) gibt allgemein verständliche Antworten:

Wie hat sich ENSO in der Vergangenheit geändert?

Wenn über den Klimawandel gesprochen wird, bleibt das Gespräch oft auf die zukünftigen Veränderungen fixiert. Aber es ist klar, dass sich das Klima bereits verändert. Bevor wir uns damit befassen, welche ENSO-Veränderungen, wenn überhaupt, für die Zukunft zu erwarten sind, ist es wichtig, einen Blick zurück zu werfen und festzustellen, ob sich ENSO bereits verändert hat. Und dann feststellen, ob DIESE Veränderungen durch unseren unersättlichen Appetit auf die Emission von Treibhausgasen (THG) beeinflusst werden.

Der Ozeanische Niño-Index (ONI) von 1950 bis 2021

Der Ozeanische Niño-Index (ONI) von 1950 bis 2021

Der ONI ist die dreimonatige Temperaturanomalie der Meeresoberfläche in der Niño3.4-Region des tropischen Pazifiks. Rot bedeutet überdurchschnittliche Temperaturen und blau bedeutet unterdurchschnittliche Temperaturen.

Quelle: Climate.gov image using data from NOAA NWS Climate Prediction Center.

Es hat sich geändert! ... irgendwie. (mit vielen Nuancen!) Die Amplitude (Stärke) von ENSO zusammen mit der Häufigkeit von Ereignissen hohen Ausmaßes (auch bekannt als die GROSSEN) sind seit 1950 höher als von 1850-1950 und sogar noch weiter zurück als von 1400-1950. (2) Im IPCC-Bericht wird auch festgestellt, dass eine größere Anzahl von El-Niño-Ereignissen in den letzten 20-30 Jahren mit Temperaturveränderungen verbunden war, die im zentralen Pazifik stärker waren als im Osten.

Diese Unterschiede bedeuten jedoch nicht zwangsläufig, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel dahintersteckt (da ist diese Nuance!). Die instrumentellen Aufzeichnungen und die paläoklimatischen Proxy-Daten (Korallen, Baumringe, Sedimentkerne) zeigen, dass ENSO während des gesamten Holozäns (der letzten 11.700 Jahre) alle möglichen unterschiedlichen Muster und Amplituden gezeigt hat. Es gibt keine eindeutigen Beweise dafür, dass die ENSO-Veränderungen seit 1950 so ungewöhnlich sind. Außerdem ergeben Klimamodell-Simulationen, die keine steigenden Treibhausgase berücksichtigen, ähnlich große Schwankungen im ENSO-Verhalten über lange Zeiträume hinweg, was allein auf die chaotische Natur des Klimasystems zurückzuführen ist.

Das Gleiche gilt für den Trend der letzten Jahre bei den El Niño-Ereignissen im Zentralpazifik. Sowohl Paläoklimadaten als auch Klimamodelle deuten darauf hin, dass die beobachteten Veränderungen durchaus im Rahmen der natürlichen Variabilität liegen. So funktioniert die Erde eben manchmal.

Was geschieht mit ENSO in einer sich erwärmenden Welt?

Das Wichtigste zuerst: Es ist so gut wie sicher, dass ENSO nicht nur in einer sich erwärmenden Welt existieren wird, sondern dass es weiterhin eine große Rolle bei der Beeinflussung der Klimamuster der Erde spielen wird. (The exact phrasing found in the IPCC AR6 WG1 report is that “it is virtually certain that the El Niño–Southern Oscillation (ENSO) will remain the dominant mode of interannual variability in a warmer world.”)

Aber was können wir darüber sagen, wie der Klimawandel ENSO in Zukunft verändern wird? Vor allem, wenn wir nicht mit großer Sicherheit sagen können, ob der Klimawandel ENSO bereits jetzt beeinflusst.

Änderungen von Amplituden der ENSO-Variabilität

Änderungen von Amplituden der ENSO-Variabilität

Änderungen der Amplitude der ENSO-Variabilität der Meeresoberflächentemperaturen (oben) und der Niederschlagsanomalien (unten), gemittelt über die Niño3.4-Region für 1950-2014 aus historischen CMIP6-Klimamodellsimulationen und für 2015-2100 aus vier gemeinsamen sozioökonomischen Szenarien (SSP). Die dicken Linien stehen für den Mittelwert mehrerer Modelle, und die Schattierung entspricht der 5-95%-Spanne der CMIP6-Modelle für die historische Simulation (grau), SSP1-2.6 (blau) und SSP3-7.0 (rosa).

Quelle: Climate.gov Abbildung angepasst von Abbildung 4.10 im IPCC AR6 WG1 Physical Science Basis Bericht.

Die Klimamodelle sind sich über eine Veränderung der ENSO-bezogenen Meeresoberflächentemperaturen im Laufe dieses Jahrhunderts bei keinem der im Bericht verwendeten Treibhausgasemissionsszenarien einig. Unabhängig von etwaigen Änderungen der ENSO-Meeresoberflächentemperaturen ist es jedoch sehr wahrscheinlich, dass die Niederschlagsvariabilität über dem östlichen und zentralen tropischen Pazifik in Szenarien mit mittleren bis sehr hohen Treibhausgasemissionen erheblich zunehmen wird. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass El Niño in dieser Region feuchter und La Niña trockener sein wird.

Wichtig ist, dass dies NICHT bedeutet, dass alle Klimamodelle in diesen Szenarien keine Veränderung von ENSO in diesem Jahrhundert zeigen. Einige der Modelle zeigen durchaus Veränderungen. Das Problem ist, dass es keine eindeutige Übereinstimmung gibt, nicht nur zwischen den verschiedenen Modellen, sondern auch zwischen verschiedenen Durchläufen desselben Modells, die mit leicht unterschiedlichen Ausgangsbedingungen (Ensembles) erstellt wurden. Einige zeigen ENSO-Ereignisse mit größerer Amplitude. Andere prognostizieren Ereignisse mit geringerer Amplitude. Diese große Bandbreite an Ergebnissen hat dazu geführt, dass der IPCC wenig Vertrauen ('confidence') in die mögliche Veränderung von ENSO in einer sich erwärmenden Welt hat.

Weshalb ist dies alles derart kompliziert?

ENSO ist ein tolles, komplexes Geben und Nehmen zwischen dem Ozean und der Atmosphäre. Änderungen der globalen Oberflächentemperaturen - das ist einfach im Vergleich zu ENSO.

ENSO Mechanismen (schematisch)

ENSO Mechanismen (schematisch)

ENSO-Mechanismen, die die Komplexität der an ENSO beteiligten Prozesse verdeutlichen. Die gestrichelte Kontur zeigt den Ort der stärksten positiven SST-Anomalie während El Niño (die Niño-3-Region). NOAA Climate.gov, based on original provided by Eric Guilyardi.

Quelle: NOAA Climate.gov, based on original provided by Eric Guilyardi

Wie komplex ist es? Im ENSO Blog hat Tom Di Liberto vor sieben Jahren ENSO als das Licht in einem Raum beschrieben, das von Hunderten von Dimmern gesteuert wird. Das liegt daran, dass ENSO durch mehrere Rückkopplungen gesteuert wird, die in diesem Blog schon erörtert wurden. Der Klimawandel ist wie ein bockiges Kind, das in den Raum geht und an jedem Schalter herumfummelt und einige auf- und andere abdreht. Ob das Endergebnis ein helleres Zimmer (stärkeres oder häufigeres ENSO) oder ein dunkleres Zimmer (schwächeres oder selteneres ENSO) ist, lässt sich nur schwer vorhersagen.

Auch ohne den Einfluss des Klimawandels ist die Modellierung von ENSO schwierig! Bei so vielen Einflüssen ist es für ein Klimamodell leicht, die "richtige" Antwort (das Licht im Raum) aus den "falschen" Gründen zu erhalten (das Einstellen verschiedener Dimmschalter, um die endgültige "richtige" Lichtmenge zu erhalten). Klimamodelle können eine breite Palette möglicher ENSO-Ergebnisse für die Zukunft aufzeigen, indem sie eine ganze Reihe von "Dimmern" leicht verändern. Es ist schwer zu sagen, welche Schalter "richtiger" sind als die anderen.

Fehlerausgleich

Fehlerausgleich

Ein allgemeiner Blick darauf, wie allgemeine Zirkulationsmodelle unterschiedliche Auswirkungen auf ENSO durch verschiedene Mechanismen oder Prozesse im Zusammenhang mit ENSO vorhersagen können, aber dennoch die gleiche resultierende ENSO-Amplitude vorhersagen.
Gelegentlich können die Modelle sogar ein anderes Vorzeichen für einen Mechanismus vorhersagen (siehe äquatoriale Ozeandynamik in blau für Modell C), und dennoch ist die resultierende ENSO-Amplitude die gleiche. Daher ist es wichtig zu überprüfen, ob die Modelle die endgültige ENSO-Amplitude sowie die richtigen ENSO-Mechanismen oder -Prozesse korrekt vorhersagen.

Quelle: NOAA Graphic by Fiona Martin, based on work by Eric Guilyardi

Und natürlich kommt erschwerend hinzu, wie unterschiedlich ENSO in der langfristigen Vergangenheit verlaufen ist. Bei einer so wechselhaften Geschichte wird es noch schwieriger, ein für den Klimawandel spezifisches Signal zu erkennen.

Gibt es noch weitere Überlegungen zum letzten Bericht der IPCC WG1 Physical Science Basis?

Dieser Bericht enthält keine wirklich neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Stattdessen wurden die Wissenschaftler, die diesen Bericht verfasst haben, damit beauftragt, den Stand der Wissenschaft zu bewerten, um zu Schlussfolgerungen darüber zu gelangen, was über den Klimawandel und seine Auswirkungen auf alle Bereiche gesagt werden kann. Es ist zu erwarten, dass einzelne Wissenschaftler das Gefühl haben könnten, dass ihre Forschung nicht ausreichend gewürdigt wurde. Aber das Ziel der Autoren ist es, die Forschung in ihrer Gesamtheit wiederzugeben. Man darf sicher sein, es wird noch viel mehr Forschung darüber geben (müssen), wie sich ENSO aufgrund des Klimawandels verändern könnte, man sollte dran bleiben! Soweit Tom Di Liberto.

Unabhängig davon, ob sich der Treibhausgasantrieb bereits auf ENSO ausgewirkt hat oder in Zukunft auswirken wird, gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Auswirkungen von ENSO bereits jetzt durch den Klimawandel verstärkt werden, einfach weil sich die ENSO-Bedingungen mit einem wärmeren Hintergrundzustand überlagern.

Am deutlichsten wurde dies während des extremen EI Niño 2015-2016, z. B. mit dem Rekordjahr für tropische Pazifikwirbelstürme 2015, dem beispiellosen globalen Korallenbleiche-Ereignis 2014-2016 und der extremen Störung von Ökosystemen und Fischbeständen im Zentralpazifik 2015-2016 in Verbindung mit rekordhohen SST-Werten.

Extreme Niederschläge in Australien und der globale Meeresspiegel traten ebenfalls während der starken La Niña 2010-2011 auf, als Folge der Kombination von La Niña-induzierter Erwärmung im westlichen tropischen Pazifik und regionalen SST-Trends aufgrund von Treibhausgasantrieben. Die Kombination dieser Faktoren führte zu ungewöhnlich hohen Feuchtigkeitstransport durch die Passatwinde im westlichen Pazifik, der zu außergewöhnlich intensiven Niederschlägen über Australien führte. Der Transfer von Wassermassen aus dem Ozean auf das Land war extrem genug, um den globalen Meeresspiegel um 5 mm zu senken, obwohl der Meeresspiegel in den letzten 25 Jahren um 3 mm pro Jahr angestiegen war. Ein weiteres Beispiel: Die starke La Nina von 2010 bis 2011 war auch für eine beispiellose marine Hitzewelle (den so genannten "Ningaloo Niño") in einem Hotspot der biologischen Vielfalt vor der Küste Westaustraliens verantwortlich. Verstärkte pazifische Passatwinde trieben während der La Niña-Phase einen ungewöhnlich starken Strom warmen Wassers vom Pazifik in den Indischen Ozean durch die Passagen der indonesischen Meere. Dieses warme Wasser wurde entlang der Küste Westaustraliens nach Süden transportiert, wo die SST im Februar-März 2011 in Verbindung mit der durch Treibhausgase verursachten multidekadischen Erwärmung der Ozeane zwei Wochen lang um 5 °C über den Normalwert anstieg. Die Hitzewelle führte zu einem großen Fischsterben, einer schweren Korallenbleiche und einer erheblichen Störung des marinen Ökosystems in der Region. Da sich das Klimasystem weiter erwärmt, ist zu erwarten, dass ENSO-bedingte Extreme wie die oben beschriebenen häufiger auftreten werden.

Zusammenfassung der jüngeren Forschungsfortschritte

In einer jüngeren Veröffentlichung in Nature Reviews Earth & Environment fassen führende ENSO-Forscher die Fortschritte bei den beobachteten und prognostizierten Veränderungen verschiedener Aspekte von ENSO zusammen, einschließlich der Prozesse, die hinter diesen Veränderungen stehen. Wie in früheren Zusammenfassungen besteht zwischen den Modellen ein Konsens über eine Zunahme der künftigen ENSO-Niederschlagsvariabilität.

Jetzt zeigt sich jedoch, dass die Modelle, die die wichtigsten ENSO-Dynamiken am besten erfassen, auch dazu neigen, eine Zunahme der künftigen ENSO-Meeresoberflächentemperaturvariabilität und damit der ENSO-Größe bei einer Erwärmung durch den Treibhauseffekt zu prognostizieren, sowie eine Ostverschiebung und Intensivierung der ENSO-bezogenen atmosphärischen Telekonnektionen. Diese prognostizierten Veränderungen stehen im Einklang mit paläoklimatischen Belegen für eine stärkere ENSO-Variabilität seit den 1950er Jahren im Vergleich zu den vergangenen Jahrhunderten.

Die Zunahme der ENSO-Variabilität wird zwar durch eine stärkere Schichtung des äquatorialen Pazifiks im oberen Ozean unterstützt, ist aber stark von internen Schwankungen beeinflusst, was Fragen hinsichtlich ihrer Quantifizierbarkeit und Nachweisbarkeit aufwirft. Die laufenden koordinierten Bemühungen der Wissenschaftler und die Fortschritte bei den Berechnungen ermöglichen jedoch Langzeitsimulationen, Experimente mit großen Ensembles und hochauflösende Modellierung, was vielversprechende Aussichten für die Abschwächung von Modellverzerrungen, die Einbeziehung grundlegender dynamischer Prozesse und die Verringerung der Unsicherheiten bei den Vorhersagen bietet.

Wir sollten also davon ausgehen, dass sich der Klimawandel in Zukunft auf ENSO auswirken könnte, aber wie genau, ist ungewiss.

 

Forschungs- und Handlungsbedarf

"My impression is that our understanding of ENSO has reached a sort of saturation point where progress has become slow and we are mainly filling in the niches of our ignorance but not making great strides in prediction." (David B. Enfield 2011)

Auch wenn in den vergangenen Dekaden das Verständnis des ENSO-Phänomens stark verbessert wurde, sind einige Aspekte von ENSO noch immer nicht gut verstanden. Solche Aspekte sind z.B. die Saisonalität von ENSO, d.h. die Eigenschaft von ENSO im nordhemisphärischen Winter seine stärkste Ausprägung zu erreichen und die Asymmetrie von ENSO, d.h. die Tatsache, dass El Niño-Ereignisse für gewöhnlich stärker ausfallen als La Niña-Ereignisse. Ebenso sind die möglichen Effekte des Klimawandels auf ENSO und die Einflüsse des tropischen Indischen und des tropischen Atlantischen Ozeans auf ENSO noch unzureichend bekannt und damit Gegenstand aktueller Forschung. Und nach wie vor ist sich die Forschung uneins in der Antwort auf Bob Kesslers (2003) Frage, ob ENSO ein Zyklus oder eine Abfolge von Einzelereignissen ist.

Ferner sind die Erklärungs- und Vorhersagemodelle zu ENSO trotz eines passablen Niveaus noch nicht zuverlässig und aussagekräftig genug, falls sie dies angesichts der großen Variabilität von ENSO in gewünschtem Maße je sein können. Insbesondere bei der Vorhersage der Intensität eines ENSO-Ereignisses bleiben sie noch Antworten schuldig. Auch die zuverlässigere Datenbeschaffung - z. B. waren 2014 80 % der Messbojen im Ostpazifik wegen unterbliebener Wartung ausgefallen -, bessere Simulationen von Oberflächentemperaturen und Süßwasserflüssen, bessere Einbeziehung von relevanten Prozessen außerhalb des tropischen Pazifiks können zu verbesserten Vorhersagen führen.

To reduce uncertainty in ENSO future projections, it is clear that much work needs to be done to improve climate models.

Quelle: Santoso, Agus et al. (2019)

Ein ENSO-Workshop in Sydney (Australien) stellte im Februar 2015 unter dem Eindruck des für 2014 falsch prognostizierten El Niño folgende Liste an Themen zusammen, die die Forscher in den kommenden Jahren beschäftigen werden:

  1. Wie belastbar sind ENSO-Projektionen vor dem Hintergrund von Modellunsicherheiten und relativ kurzen Datenreihen, die auf Instrumenten basieren?
  2. Wie können Bjerknes-Rückkopplungen und andere Rückkopplungen korrekt in Klimamodellen dagestellt werden?
  3. Soll man Flusskorrekturen in Klimamodellen verwenden?
  4. Wie sind Variationen des Hintergrundzustands (z.B. Interdecadal Pacific Oscillation, IPO) mit ENSO verknüpft?
  5. Welches ist die Dynamik und die Charakteristik von extremen ENSO-Ereignissen?
  6. Wie vorhersehbar sind extreme ENSO-Ereignisse?
  7. Welches sind die Mechanismen, die die Bindung von ENSO-Phasen an Jahreszeiten bestimmen (auch: jahreszeitliche Synchronisierung von ENSO; engl. ENSO seasonal phase locking)?
  8. Welches ist die Dynamik der ENSO-Diversität oder ist ENSO Modoki ein wirklich unabhängiger Typ der ENSO-Variabilität?
  9. Wie wirken sich Rückkopplungs-Interaktionen innerhalb des Pazifik-Beckens auf ENSO aus?
  10. Welches sind die ozeanischen und atmosphärischen Fernwirkungsprozesse (engl. teleconnection processes) von extremen ENSO-Ereignissen?
  11. Welche Paläo-Proxydaten können zur Untersuchung der räumlichen Entwicklung von ENSO-Ereignissen verwendet werden?

Die El Niño 2015 Conference am International Research Institute for Climate and Society (IRI) listete in ihrer Concluding Perspective unter anderem auch die folgenden Kernbereiche auf, die es anzugehen gilt, um Fortschritte zu erzielen (ergänzt):

  1. Auf allen Gebieten sind Verbesserungen vonnöten, in der Forschung (einschließlich der Sozialwissenschaften), bei den Daten, Modellen, dem Engagement beteiligter Gruppen, bei zugeschnittenen Produkten, bei Kommunikation und Rückmeldung, bei der Dokumentation und Evaluation von Ergebnissen.
  2. Wissenschaftliche Prioritäten müssen gesetzt werden, beispielsweise gibt es noch immer Probleme, den Beginn eines Ereignisses vorherzusagen, bevor es sich in den Meeresoberflächentemperaturen bereits zeigt.
  3. Bezüglich der ENSO-Irregularität herrscht noch immer ein erheblicher Forschungsbedarf.
  4. Beobachtungssysteme müssen kontinuierlich gestärkt werden.
  5. Gesellschaftliche Verwundbarkeiten und Anpassungsmöglichkeiten müssen besser verstanden werden, die letzteren müssen besser kommuniziert werden, um vom wissenschaftlichen Fortschritt stärker zu profitieren.
  6. Es besteht der Bedarf, die verstreuten Anstrengungen von relevanten Klimadiensten systematisch zusammenzuführen, ob sie nun historischen, maßgeschneiderten Charakter haben, sich auf unterschiedliche Zeitskalen beziehen oder primär auf Staatenebene fokussiert sind. Das Global Framework for Climate Services kann in dieser Hinsicht eine zentrale Rolle spielen.
  7. Die effektive Nutzung von Klimainformationen, um mit Gefahren fertig zu werden und die Belastbarkeit zu erhöhen, erfordert eine beständige Partnerschaft zwischen allen Beteiligten. Zu diesem Zweck muss die Klimagemeinde sich nachdrücklich Bereichen widmen wie Kommunikation, Visualisierung und Evaluation, um die Bildung einer breiten Gemeinschaft zu fördern, die mit den Klimainformationen in einem praktischen Kontext effektiv umgehen kann.
  8. Ergebnisse von El Niño-Vorhersagen sind stark vom angemessenen Handeln auf Länder- und lokaler Ebene abhängig. Dies bedeutet, dass die verfügbaren Klimainformationen konsequenter in Handeln umgesetzt werden müssen, um effektiv zu sein.
  9. Wie ändert sich der El Niño/La Niña-Zyklus im Gefolge des Klimawandels?
  10. Wie interagieren El Niño, Indischer Ozean-Dipol (IOD) und Southern Annual Mode in Bezug auf die Variabilität des Klimas von Australien, China und des Weltklimas insgesamt?

Verschiedene andere Quellen thematisieren noch folgende Fragen und unklaren Bereiche:

  1. Interozeanische Wechselwirkungen können die pazifischen ENSO-Ereignisse modifizieren oder verändern, so dass die Wechselwirkungen zwischen dem Pazifik, dem Indischen und dem Atlantischen Ozean in der künftigen Forschung berücksichtigt werden sollten. So kann beispielsweise die Erwärmung des tropischen Indischen Ozeans die Entwicklung des pazifischen El Niño verhindern und die in den letzten beiden Jahrzehnten beobachteten tropischen pazifischen Passatwinde verstärken. Die atlantische multidekadische Oszillation kann das Auftreten des CP-Typs von ENSO-Ereignissen verstärken und die multidekadische ENSO-Variabilität beeinflussen. Die Erwärmung des tropischen Atlantiks führt auf längeren Zeitskalen zu einem kalten tropischen Ostpazifik und einem warmen Indopazifik.
  2. Die Wechselwirkungen zwischen intra-saisonaler Variabilität (z. B. Westwindausbrüche und Madden-Julian-Oszillationsereignisse), interannueller ENSO-Variabilität und dekadisch-multidekadischer Variabilität müssen weiter untersucht werden.
  3. Die Beziehung zwischen ENSO und globaler Erwärmung ist ungewiss. Wir sind nicht einmal sicher, ob die Erwärmung durch die Treibhausgase ein El Niño-ähnliches oder La-Niña-ähnliches Muster im tropischen Pazifik hervorrufen wird, da die Klimamodelle unsicher sind. Um voranzukommen und unser Verständnis der anthropogenen und natürlichen ENSO-Variabilität zu verbessern, müssen globale gekoppelte Klimamodelle stark verbessert werden und in der Lage sein, sowohl ENSO und die Reaktion auf den Treibhauseffekt Erwärmung zu simulieren.
  4. Es ist nicht bekannt, ob die bisher vorgestellten ENSO Mechanismen auch in zukünftigen Szenarien der globalen Erwärmung gelten. (Wang, Ch. 2018)
  5. Wie werden sich die atmosphärischen ENSO-Rückkopplungen unter der globalen Erwärmung ändern und warum?
  6. Wie entwickeln sich La Niña und El Niño im Klimawandel? - Fragen des Science Media Center Germany an exponierte Forschende (2022)
Factors affecting ENSO and the societal implications

Faktoren, die ENSO beeinflussen und die gesellschaftlichen Auswirkungen

Die ENSO-Eigenschaften werden von vielen Faktoren beeinflusst, darunter gekoppelte Rückkopplungsprozesse, atmosphärisches und ozeanisches Rauschen und Klimaantrieb aus anderen Ozeanbecken sowie der grundlegende mittlere Zustand, der sich auf langen Zeitskalen entwickelt. Alle diese Komponenten interagieren miteinander und werden durch äußere Einflüsse (z. B. Treibhausgase, Aerosole, Sonnenvariabilität) beeinflusst, was wiederum die Vorhersagbarkeit und Auswirkungen von ENSO beeinflusst.

Während die Vorhersagbarkeit von ENSO und die regionalen Auswirkungen über Ereignisse und Jahrzehnte hinweg variieren können und die Vorhersagbarkeitsgrenze von ENSO noch nicht bekannt ist, könnte ein besseres Verständnis der Interaktion dieser Prozesse und ihrer Darstellung in Klimamodellen letztendlich die saisonalen Prognosen, dekadischen Vorhersagen und Zukunftsprognosen von ENSO verbessern. Dies sollte auch zu einer genaueren Identifizierung der ENSO-Auswirkungen führen, mit längeren Vorlaufzeiten und potenziellen Vorteilen für ein verbessertes Klima-Risikomanagement.

Quelle: Santoso et al. 2019